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Wirtschaft vs. Ethik Moral ohne Apostel?

Moral in der Wirtschaft, ein leerer Begriff? Sogar der Papst hat sich schon einmal in diese Diskussion eingemischt. Doch genützt hat es nichts. Denn beispielsweise die Boni in der Finanzbranche sprudeln wieder.
Von Arne Gottschalck
Geldregen: Schön für den Betroffenen - doch wie sind die gesamtwirtschaftlichen Folgen exzessiver Boni?

Geldregen: Schön für den Betroffenen - doch wie sind die gesamtwirtschaftlichen Folgen exzessiver Boni?

Foto: Corbis

Hamburg - Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Schrieb schon Berthold Brecht in seiner Dreiroschenoper. Bei so einer literarischen Steilvorlage ist es kein Wunder, wenn auch heutzutage immer wieder die Moralferne der Wirtschaft beklagt wird. Doch zu ändern scheint sich nichts. Oder doch?

Beispiel Finanzbranche. Dort wurden in der Vergangenheit Boni in Milliardenhöhe gezahlt. Und damit auch die Exzesse der Finanzkrise ausgelöst. Goldman Sachs schüttete noch Ende 2007, zumindest statistisch gesehen, 600.000 Dollar an jeden seiner Angestellten aus. Auch in Sachen Abfindung zeigten sich Finanzhäuser gern großzügig. Fred Goodwin, als "Fred the Shred" bezeichnet, also "Häcksler-Fred", bekam von der Royal Bank of Scotland eine jährliche Pension von 700.000 Pfund - obwohl der Staat der Bank mit 20 Milliarden Pfund zur Hilfe eilen musste und zeitweise zu 70 Prozent an dem Finanzhaus beteiligt war. Inzwischen hat er zugestimmt, die Pension auf 555.000 Pfund zu reduzieren - gegen eine Einmalzahlung von 4,7 Millionen Pfund. Kein Wunder also, wenn Unbekannte Goodwins Haus in Edinburgh anzündeten. Ein Feuer, das längst breite Bevölkerungsschichten erreicht hat.

Denn immer öfter fragen sich Menschen, warum die Entwicklung des Gehalts eines Unternehmenslenkers und das der Arbeitnehmer immer weiter auseinanderklaffen. Während ein Vorstand noch 1998 das Zwanzigfache eines Durchschnittsmitarbeiters verdiente, waren es 208 bereits das 49-fache. Das schürt nicht nur den Neid, sondern auch die skeptische Frage nach der Angemessenheit. Das spürt offenbar auch der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach. Auf einer Tagung der Süddeutschen Zeitung erklärte er, auf den ersten Blick seien Wirtschaft und Moral weit voneinander entfernt, ja geradezu feindlich. Dieser Befund erstaunt immer wieder, da doch in Sonntagsreden die enorme Bedeutung der Moral, der Nachhaltigkeit hervorgehoben wird. In der Praxis allerdings ist das offenbar gar nicht so einfach.

Zwar wird Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette DM, nicht müde, gegen diese Art der Wirtschaft zu Felde zu ziehen: "Gewinnmaximierung ist reine Gier, sie ist ein teuflisches Ziel", sagt er. Erfolgsprämien gibt es daher nicht bei ihm. Doch auf der anderen Seite stehen Unternehmen wie die UBS.

Prinzip Hoffnung

Das Haus wollte seinen Angestellten unbestätigten Angaben zufolge für das Jahr 2009 Boni in Höhe von 4 Milliarden Franken zahlen, rund 2,7 Milliarden Euro. Obwohl es noch in den roten Zahlen steckt. "Ich muss ganz klar feststellen, dass meine Aufrufe zur Mäßigung nicht gehört wurden", meinte EU-Kommissar Michel Barnier noch Anfang April. Und Peter Siegenthaler, Chef der Eidgenössischen Finanzverwaltung, meint: "Die Tatsache, dass die Boni hoch bleiben, macht mich ein wenig ratlos. Ich hoffe noch immer, dass die Branche zu normaleren Verhältnissen zurückkehrt." Eine Hoffnung, die viele hegen.

Rainer Kordes etwa, Unternehmensberater und Mitglied der manager-lounge. "Zur Moral gehört auch das Stehen zu Werten, mit denen wir aufgewachsen sind, denen wir unsere Freiheit und Rechtstaatlichkeit verdanken- letztlich auch die Rahmenbedingungen, die uns den Erhalt der errungenen Leistungen garantieren", sagt er. "Aber viele Unternehmer und Manager stoßen an ihre Grenzen, wenn es um die Entscheidung Geschäft gegen solche Werte geht, denen sie ihre Existenz verdanken. In welchen Geschäfts berichten etwa wird Meinungsfreiheit unter Unternehmenswerten geführt?"

Und Wolfgang Griepentrog, Geschäftsführer von WordsValues und ebenfalls Mitglied der manager-lounge, ergänzt: "Manager sind nicht auf Geld und Erfolg aus, sondern auf Anerkennung, Sicherheit und einen guten Platz im gesellschaftlichen Miteinander. Das ist nicht verwerflich. Allerdings werden auf dem Weg dahin die Koordinaten nicht unbedingt falsch, aber unvollständig gesetzt - und zwar generell: Die gesellschaftliche akzeptierte Maxime heißt nicht "werteorientierte Unternehmensführung", sondern fachliche Exzellenz und unternehmenspolitisches Gespür. Beides ist wichtig, aber ohne klares Wertefundament nicht nachhaltig." Genau dieses Wertefundament scheint aber nicht so einfach zu gießen zu sein.

Bereits 2008 hatten sich rund fünfzig Nobelpreisträger der World Federation of Scientists unter Führung Antonino Zichichis, unter anderem Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, zusammengefunden, einen neuen Wertekanon für die Geschäftswelt zu schaffen. Bislang offenbar vergebens. Immerhin, seit Mitte 2009 regelt ein Gesetz in Deutschland, dass Boni sich am langfristigen Erfolg orientieren müssen. Doch ob das Brecht genügt hätte?

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