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Web-Phantom Amina Abdallah US-Student outet sich als syrische Bloggerin

Amina Abdallah Arraf war eine der bekanntesten Bloggerinnen des arabischen Frühlings. Sie kritisierte das Assad-Regime scharf - und Zeitungen, Sender und Newssites berichteten gerne über sie. Doch jetzt zeigt sich: Hinter dem Blog steckte ein amerikanischer Mann. Die Empörung ist groß.
Screenshot Amina Abdallah: Syrische Bloggerin, die sich als Er erwies

Screenshot Amina Abdallah: Syrische Bloggerin, die sich als Er erwies

Berlin/London - Nein, er habe nie mit dieser enormen Aufmerksamkeit gerechnet, schreibt ein gewisser Tom MacMaster. Er glaube auch nicht, jemandem geschadet zu haben. Zwar sei die Stimme der Erzählerin fiktional gewesen, die geschilderten Fakten aber seien wahr. Es ist der aktuellste Beitrag im Blog " A Gay Girl in Damascus ", gepostet unter dem Usernamen Amina A.

Amina Abdallah Arraf, das lesbische Mädchen aus Damaskus, das in den vergangenen Wochen zu einer der bekanntesten Bloggerin des arabischen Frühlings avancierte, ist in Wahrheit ein amerikanischer Mann mittleren Alters, der in Schottland lebt, wie BBC und "Guardian" übereinstimmend berichten.

Damit endet das Rätselraten über die Echtheit eines Blogs, über das Zeitungen, Fernsehsender und Newssites berichtet hatten, darunter "Time", "Guardian", Huffington Post, CBS, CNN, ABC, al-Dschasira , die "Washington Post". Hunderte von Beiträgen und Texten erschienen, so wie zuletzt vor vier Wochen, als der Erlebnisbericht von Aminas angeblich verhinderter Verhaftung die Augen der Welt auf das Blog lenkte.

Das Mädchen in Damaskus, das nicht nur Romanauszüge und Gedichte veröffentlichte - denn so begann das Blog am 19. Februar 2011 - sondern auch Regimekritik. Gutaussehend und weltoffen, binational dazu: halb Syrierin, halb Amerikanerin. Es ist kein Wunder, dass sich die Medien auf diese vermeintliche Heldin stürzten, die angeblich Haft und Leben riskierte mit ihrem doppelten Bekenntnis zu Homosexualität und Opposition.

Warum Zweifel an Amina aufkamen

Sie war eine Person, an der sich anschaulich erzählen ließ, was vor sich geht in Syrien unter Präsident Baschar al-Assad, der seine Bürger für unmündig hält und Krieg gegen das eigene Volk führt.

Doch spätestens als sich herausstellte, dass eines der angeblichen Amina-Fotos jemand anderen zeigte, stellten sich Zweifel ein. Wenige Stunden nach Veröffentlichung eines letzten Artikels über Amina Arraf ruderte zuerst die "New York Times" ein Stück zurück  und veröffentlichte in der Nacht zum vergangenen Mittwoch ein Update, das die bisher scheinbar faktenorientierte Berichterstattung über Amina unter Vorbehalt stellt. Zurecht, wie sich jetzt zeigt.

Denn Tom MacMaster schreibt in dem erwähnten letzten Beitrag, den er nach eigenen Angaben von Istanbul aus verfasst hat, er sei der einzige Autor aller Blog-Einträge gewesen. Er habe nur auf das Leben der Menschen im Nahen Osten aufmerksam machen wollen. Laut "Guardian" hat MacMasters Frau in einer E-Mail seine Identität und sein Geständnis bestätigt. In einem Telefoninterview mit der BCC sprach er selbst darüber.

Der 40-Jährige ist an der Universität Edinburgh für ein Masterprogramm eingeschrieben. Auf seinem Amina-Blog war Anfang vergangener Woche ein Eintrag von einer angeblichen Cousine der jungen Frau aufgetaucht, wonach diese auf offener Straße von drei bewaffneten Männern in ein Auto mit regierungsfreundlichen Aufklebern gezerrt worden sei. Dieser Eintrag alarmierte die Leser des Blogs. Sie sorgten sich um die Frau und gründeten unter anderem bei Facebook die Seite "Befreit Amina Abdallah", die innerhalb kürzester Zeit fast 15.000 Anhänger hatte.

Doch die Hinweise, dass etwas nicht stimmte, verdichteten sich. Laut "Guardian" führten immer mehr Spuren in Richtung Schottland. So ließen sich etwa E-Mails, die die vermeintliche Bloggerin geschrieben hatte, dem Zeitungsbericht nach zurückverfolgen zu Servern der Universität von Edinburgh. Der "Guardian" schreibt, MacMaster habe schließlich reinen Tisch machen wollen.

Die Enthüllung sorgte laut "Guardian" und BBC jetzt bei Amina-Unterstützern und Oppositionellen für Wut und Aufregung. Die BCC zitiert ein libanesisches Blog, in dem es heißt: "Wenn ich eines Tages von meiner Regierung gekidnappt werde, wird sich niemand dafür interessieren - es könnte ja sein, dass ich mich als zweite Amina herausstelle."

Auch schwule und lesbische Aktivisten sind demnach empört. Auf der Seite GayMiddleEast.com heißt es, MacMaster solle sich schämen. Es gebe Blogger in Syrien, die unter schweren Umständen versuchten, aus dem Land zu berichten. Die habe MacMaster in Gefahr gebracht. Und er sei verantwortlich, wenn jetzt auch die Echtheit anderer Blogs angezweifelt werde. Ähnlich lesen sich viele Beiträge bei Twitter.

MacMasters Entschuldigung, heißt es, werde nicht akzeptiert.

otr/pat/AFP