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Webwelt & Technik Markteinführung

Der Irrsinn beim Kauf von Apples iPad 2

Apple-Fans warten stundenlang auf das neue iPad Apple-Fans warten stundenlang auf das neue iPad
Deutscher Verkaufsstart des iPad: Stundenlang warten die Fans auf ihr neues Gadget
Quelle: dapd/DAPD
Es ist wie ein religiöses Ritual. Ohne langes Anstehen bekommt man am ersten Verkaufstag in Deutschland kein iPad. Einige campieren sogar vor den Läden.

Es sollten schon 900 Euro sein. Nicht für das iPad 2, das es im Laden in der edelsten Ausstattungsvariante für knapp 800 Euro gibt. 900 Euro wollte Jonathan Kuhla für seinen dritten Platz in der Warteschlange vor dem Eingang des Applehändlers Gravis in Berlin. Kundgetan hat er das Angebot via Ebay. Drei Leute haben ihn angerufen. Zwei haben ihn beschimpft, einer äußerte vages Interesse und rief nicht mehr an. Also hat Kuhla selbst gekauft und zwei iPads mitgenommen. Er ist jetzt einer der ersten, der dieses Gerät in Deutschland besitzt.

Es gehört zu Apple wie die runden Geräteecken, der angebissene Apfel und der manische Chef, Steve Jobs, im Rollkragenpullover. Wenn der Konzern aus Cupertino in Kalifornien etwas Neues auf den Markt bringt, dann stellt er es nicht einfach in die Geschäfte. Er organisiert ein Event. Apple fordert das Bekenntnis seiner Glaubensjünger und diese lassen sich nicht bitten. Es sind Menschen wie Kuhla, Nummer drei in der Warteschlange, Oliver, die Nummer zwei und Sven der am Freitagmorgen um zwei Minuten nach acht Stellung vor dem Geschäft bezog. Neun Stunden lang betreiben sie das, was Menschen in der DDR einst für Bananen auf sich nahmen: Sie stehen an. Um 17 Uhr, als die Mitarbeiter die Schachteln in den Verkaufsraum tragen, sprintet Oliver noch an Sven vorbei.

Punkt 17 Uhr geht das iPad 2 zum ersten Mal in Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie 22 weiteren Ländern über den Ladentisch. Lange Schlangen und ungewöhnliche Szenen bei solchen Anlässen ist man von der Apple-Gemeinde und dem Computerriesen inzwischen gewohnt. So verkaufte sich nach Unternehmensangaben das erste iPad alleine 300.000 Mal am ersten Verkaufstag im Mai vergangenen Jahres. Auch groß inszenierte Produktvorstellungen des Firmen-Chefs Steve Jobs heizen die Nachfrage an. Kurz nach dem Verkaufsstart des iPad2 in den USA am 11.März kam es zu Lieferengpässen. Zum Online-Verkaufsstart am Freitagmorgen um zwei Uhr ächzen die Server des Online-Stores von Apple unter dem Ansturm der Kunden.

Bei Gravis in Berlin stehen um 17 Uhr rund 400 Apple-Jünger hinter Sven und Oliver Schlange. "Natürlich sind das besondere Tage, auch für uns“, sagt Jörg Mucke, Geschäftsführer bei Gravis. Er ist, wenn man so will, einer der Priester von Steve Jobs und weiß, was an so einem Tag zu sagen ist: „Die Aufregung und das Kribbeln ist groß.“ Andererseits hat das Unternehmen als langjähriger Vertriebspartner von Apple durch iPhone und das iPad1 schon eine gewisse Routine, wenn es darum geht, neue Produkte in einen Markt einzuführen. „Zwischenzeitlich haben wir einen standardisierten Ablauf eines solchen Events, auch bei der Vorbereitung“, sagt Mucke.

Dennoch, bei der Einführung des iPad1 lief nicht alles rund. So führte Gravis vor einem Jahr die wartende Meute direkt an die Kasse. Das sorgte für Missstimmung, gerade als die Geräte knapp wurden, weil die Kassierer unterschiedlich schnell die Kunden bedienen konnten. Das soll dieses Jahr vermieden werden. Verkäufer führen Sven und Oliver beispielsweise aus der Schlange nacheinander an eines der vier Terminals. Dort nehmen sie die Bestellung auf, anschließend können sie das frisch angelieferte Objekt der Begierde an der Kasse bezahlen und in Empfang nehmen. Allerdings maximal zwei Geräte pro Person. Erst danach kommt der Nächste aus der Reihe dran.

Viel Zeit steht den Mitarbeitern des Apple-Händlers zur Vorbereitung des Events nicht zur Verfügung, auch wenn sie schon 25 Jahre zusammenarbeiten. Eine Sonderbehandlung gibt es nicht. „Wir erfahren den Termin am selben Tag, wie die Öffentlichkeit“, sagt Mucke. Apple verlangt Demut, auch von denen, die die Produkte verkaufen. Im Gegensatz zu anderen Herstellern ist ein neues Apple-Produkt ein Selbstläufer. Nicht Apple muss zufrieden sein, eine Verkaufsstelle zu finden. Ladenbesitzer sind dankbar, wenn sie die Geräte vertreiben dürfen.

Dabei sind die Erwartungen hoch. So rechnet man bei Gravis damit, dass der Nachfragedurst heute nicht komplett gestillt werden kann. Das lassen die zahlreichen Nachfragen im Vorfeld, aber auch die Erfahrungen aus dem Verkaufsstart in den USA vermuten. "Ich gehe davon aus, dass am Ende des Tages alle ausverkauft sein werden“, sagt Mucke. "Wir können aber kontinuierlich nachliefern.“

Wie viele iPads am Verkaufsstart zur Verfügung stehen, wird nicht verraten. Solche Informationen fließen bei Apple nur sehr spärlich, kritisiert auch Kundin Anja Wetzel. „Wenn man anruft, bekommt man nur die Informationen, die längst bekannt sind. Es ist paradox: eigentlich finde ich die Politik von Apple nicht gut, wir wollen das Gerät aber trotzdem haben“, bringt sie das Dilemma auf den Punkt. Allerdings sind ihre Chancen auf ein iPad2 sowieso recht gering. Sie hat sich erst um 16.15 Uhr in die Schlange eingereiht. Wer ein iPad am ersten Tag will, muss mehr Demut zeigen.

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