Was ist das nun: ein Phantom, eine Bedrohung oder eine Hoffnung? "Retten wir die Buchhandlung!", rief die amerikanische Schriftstellerin Nicole Krauss kürzlich in einem flammenden Appell aus. Und in der Tat ist der Buchmarkt in den USA mittlerweile eine andere Welt als die in Europa im Allgemeinen und die in Deutschland im Speziellen. Das Buchhändlernetz in Übersee ist im Zusammenbruch begriffen ; die großen Handelsketten haben den verbliebenen Markt unter sich aufgeteilt; der Marktanteil digitaler Bücher liegt bei zehn Prozent, Tendenz steigend. Zumindest die Entwicklung im Bereich der Buchhandlungen ist eine, die sich auch in Deutschland anbahnt. Aber sonst?

Man muss das möglicherweise trennen: Dass der Internet-Versandbuchhandel vor allem den mittelständischen Buchhändler vor Ort entscheidend schwächt, lässt sich allein an der Zahl der insolventen Buchhandlungen der vergangenen Jahre belegen. Doch wie steht es mit den digitalen Inhalten?

Seit Jahren wird im Umfeld jeder Buchmesse über den Siegeszug des E-Books mehr geraunt als gesprochen. Verlässliche Zahlen gab es kaum. Man hat das Gefühl, es stünde da eine Lokomotive unter vollem Dampf im Bahnhof, aber niemand gibt das Signal zur Abfahrt. Jedenfalls nicht der Käufer.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dessen Tochter MVB Betreiber der Downloadplattform "Libreka" ist, hat nun erstmals eine Studie mit validen Zahlen vorgelegt, für die die Gesellschaft für Konsumforschung 1800 Verlage und Buchhändler befragt hat. Die Zahlen sind bemerkenswert. Noch bemerkenswerter allerdings ist deren Interpretation durch den Börsenverein: "Der Durchbruch für das E-Book", so sagte Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, bei der Präsentation der Studie, "wird in diesem Jahr stattfinden". Und weiter: "Wir erleben die Stunde Null des E-Books."

Es ist eine gewagte Prognose angesichts des in der Studie erhobenen Datenmaterials. Zwei Millionen E-Books wurden im Jahr 2010 von 540.000 Kunden gekauft; der Umsatz beträgt 0,5 Prozent des Käufer-Buchmarktes. 78 Prozent der Deutschen geben an, keine Bücher am Bildschirm lesen zu wollen.

"Insgesamt", so heißt es in der Studie, "hat sich die Akzeptanz von E-Books gegenüber gedruckten Büchern im Vergleich zum Vorjahr nicht verbessert". Und im Vergleich zum Vorvorjahr auch nicht. Soll heißen: Der Leser in Deutschland hat noch keine Beziehung zum E-Book gefunden und kann sich auch nur schwer vorstellen, das in Zukunft zu tun. Und so muss auch der Börsenvereins-Schatzmeister Jürgen Horbach zugeben: "Die technischen Möglichkeiten der Branche laufen der Nachfrage voraus. Das Angebot muss die Nachfrage schaffen."

Immerhin bieten bislang 35 Prozent der deutschsprachigen Verlage E-Books an; 80 Prozent planen, in Zukunft in das bislang nur spärlich vorhandene Geschäft einzusteigen. Die Erwartungen der Branche stehen in einem frappierenden Missverhältnis zum Ist-Zustand: Rechnen die Verlage im Jahr 2011 mit einem Anteil von bereits 6,6 Prozent an ihrem Umsatz, prognostizieren sie für das Jahr 2015 eine Quote von 16,2 Prozent.