Datenschutz: Schaar macht Druck auf Bundesregierung und Privatwirtschaft

Die Regierung habe beim Datenschutz viele Verbesserungen angekündigt, aber bislang wenig auf den Weg gebracht und nichts abgeschlossen, kritisiert der Bundesdatenschutzbeauftrage. Die Bürger müssten die Kontrolle über ihre Daten wiedergewinnen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Deutschlands oberster Datenschützer Peter Schaar hat der Bundesregierung zögerliches Arbeiten beim Datenschutz vorgeworfen. Die schwarz-gelbe Koalition habe viele Verbesserungen angekündigt, aber bislang sehr wenig auf den Weg gebracht und noch nichts abgeschlossen. Er erwarte von Bundestag und Bundesregierung, dass hier Tempo gemacht werde, so Schaar bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichtes für die Jahre 2009 und 2010. "Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sind nicht damit einverstanden, in ihrem alltäglichen Verhalten registriert und überwacht zu werden. Ich fordere die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag daher auf, diesen Bürgerwillen ernst zu nehmen und die angekündigten datenschutzrechtlichen Vorhaben nun umzusetzen", betonte Schaar. Er wies aber auch unter Bezugnahme auf die Debatte um das "article_id=7812:digitale Vergessen" und den "digitalen Radiergummi" darauf hin, dass "Datenschutz heute weniger denn je durch Rechtsnormen sicherzustellen" sei. Datenschutztechnologie müsse die Menschen dazu befähigen, die Kontrolle über ihre Daten wiederzugewinnen.

In den vergangenen Jahren hatten mehrere Datenskandale bei Unternehmen wie dem Discounter Lidl, der Deutschen Bahn und der Deutschen Telekom für Wirbel gesorgt. Ein Gesetzentwurf zur Neuregelung des Arbeitnehmerdatenschutzes wird derzeit im Bundestag behandelt. Schaar kritisierte, der Entwurf sei nicht optimal. So solle zwar die heimliche Videoüberwachung verboten, die offene Videoüberwachung aber ausgeweitet werden.

Schaar bemängelte, dass auch die angekündigten Verbesserungen zum Datenschutz im Internet noch ausstehen. Zwar habe der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine Gesetzesinitiative unter dem Titel "Rote Linie" angekündigt. Bis heute liege aber nicht einmal ein richtiger Gesetzesentwurf dafür vor. Er sei sich nicht sicher, ob die Regierung mit dem neuen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) das Vorhaben überhaupt noch verfolge, sagte Schaar, der gleichzeitig auf die "aktuellen Diskussionen über Straßenansichtsdienste wie Microsoft Streetside oder Google Street View" und die Auseinandersetzungen um soziale Netzwerke verwies. Dies verdeutliche, dass auch international agierende Unternehmen sich an deutsches und europäisches Datenschutzrecht halten müssten. Es könne nicht sein, dass "Unternehmen heute aussagekräftige Profile im Internet bilden können, ohne dass die Nutzer vorab eingewilligt haben".

Der Bundesdatenschutzbeauftragte kritisierte aber nicht nur das Vorgehen beim Datenschutz in der Privatwirtschaft: "Rote Linien muss es auch bei den Sicherheitsbehörden geben", nahm Schaar das Motto von De Maizières Gesetzesvorhaben auf. "Vor wenigen Wochen wurden eklatante Mängel bei der Umsetzung des SWIFT-Abkommens bekannt, und kürzlich wurde aus Koalitionskreisen gefordert, die Anti-Terror-Gesetze ohne eine systematische, ergebnisoffene und wissenschaftlich fundierte Überprüfung zu verlängern", kritisierte er. "Bei manchen scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass das Bundesverfassungsgericht wiederholt – zuletzt in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung – der staatlichen Überwachung deutliche Grenzen gesetzt hat." Eine umfassende Überwachung sei mit der verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar. Die Bundesregierung müsse sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene an dieser Maxime orientieren, forderte Schaar.

2009 und 2010 stieg die Zahl der schriftlichen Eingaben von Bürgern beim Bundesdatenschutzbeauftragtenim Vergleich zu den beiden vorangegangenen Jahren um 47 Prozent auf mehr als 11.000. Die Zahl der telefonischen Anfragen nahm um 10 Prozent auf mehr als 14.000 zu. Schaar sprach 30 offizielle Beanstandungen wegen Verstößen gegen den Datenschutz aus. Das waren zehn mehr als 2007/2008. (jk)