"Zum Social Web gehört eine gewisse Rampensau-Qualität"
Wutbürger oder Web2.0-Streber: Auch ohne Ballermann-Fotos ist die persönliche Social-Media-Inszenierung nicht frei von Tücken. Im Interview mit W&V Online erklärt Word-of-Mouth-Experte Martin Oetting, was wichtig ist.
Wutbürger oder Web2.0-Streber: Auch ohne Ballermann-Fotos ist die persönliche Social-Media-Inszenierung nicht frei von Tücken. Im Gespräch mit W&V Online erklärt Word-of-Mouth-Experte Martin Oetting, was wichtig ist.
Herr Oetting, Sie haben sich im Social Web sehr deutlich zum Fall Guttenberg geäußert und den noch amtierenden Minister öffentlich als für das Amt ungeeignet bezeichnet. Sind Sie im Job schon mal darauf angesprochen worden?
Nein, in diesem speziellen Fall nicht. Natürlich gab es Reaktionen von Freunden und Bekannten. Aber es ging ja um eine private Blog-Äußerung, die nichts mit dem Unternehmen trnd zu tun hatte. Bei trnd arbeiten wir übrigens aus Prinzip nicht für politische Parteien.
Einem Social-Media-Profi wie Ihnen würde man ja eigentlich auch unterstellen, dass er keine unbedachte Äußerungen postet. Zu Recht?
Leider nicht (lacht). Ich bin auch nicht frei von Fehlern und habe mich auch schon mal ungeschickt benommen.
Das interessiert uns natürlich. Was ist passiert?
Sagen wir es so: Es gab mal einen Fall, da haben wir im Unternehmen durchaus kontrovers über meine Äußerungen diskutiert Aber so ist das nun mal im Social Web: Niemand ist perfekt und das Medium ist dazu da, um Meinungen zu vertreten und zu lernen.
Sind Ihnen Fälle in der Branche bekannt, bei denen sich jemand um Kopf und Kragen gebloggt hat?
Es gibt Beispiele aus den USA. Vergleichbare Geschichten aus Deutschland kenne ich aber keine.
Was einen manchmal schon fast wundert. Unsere Branche scheint sich ziemlich professionell im Social Web zu bewegen.
Das stimmt. Aber ich glaube, auch zum Social Web gehört eine gewisse Rampensau-Qualität. Und da ist ein vorheriges Nachdenken eigentlich immer mit eingebaut. Es würde sich ja auch niemand auf ein Kongress-Podium setzen ohne zu kalkulieren, was er dort wie sagt. Social Media ist ganz häufig Branding in eigener Sache. Nur ganz wenige sind dort zu 100 Prozent genauso wie im echten Leben. Was aber nicht heißt, dass dort nur Blender und Schauspieler zu finden sind, denn ohne Authentizität geht es gar nicht.
Gab es bei Ihnen schon mal eine Situation, in der sie sich über private Social-Media-Äußerungen von Kollegen oder Geschäftspartnern gewundert haben? So sehr, dass Sie eingreifen oder warnen mussten?
Nein. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich bei trnd ja in der Regel selber offensiver äußere als andere Mitarbeiter. Ich bin ja schließlich auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Grundsätzlich reguliert das Web so etwas selbst. Zum Beispiel durch den Unfollow-Button.
Angenommen, ein Gutteberg-Fan bewirbt sich bei Ihnen: Würde Sie seine Mitgliedschaft in einer der einschlägigen Pro-Gruppen stören?
Das Schöne ist, dass ich nur am Rande mit dem Recruiting-Prozess befasst bin. Aber im Ernst: Meine Äußerungen zu dem Thema fanden auf meinem privaten Blog statt und haben mit meiner Arbeit bei trnd absolut nichts zu tun. Das spielt darum wirklich keinerlei Rolle. Uns geht es allein darum, ob Leute richtig Lust auf trnd haben, gut schreiben und sich in unsere Arbeit reindenken können. Guttenberg-Verehrung würde mich ganz persönlich zwar wundern, aber bei der Job-Auswahl wäre das nicht mal eine Fußnote. Es wäre eher ein interessantes Gesprächsthema in der Kaffeepause.