Donnerstag , 28 März 2024
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Mit schlechtem Wetter lässt sich Geld verdienen

schneeballNicht nur Skifahrer freuen sich über große Schneemengen, sondern auch Spekulanten – sofern sie das richtige „Wertpapier“ gekauft haben. Für diesen Fall wären es Schnee-Derivate. Diese sonderbaren Investitionen stehen natürlich auch für Regen, Kälte oder Trockenperioden zur Verfügung. Gehandelt werden sie an einigen Börsen und natürlich auch over-the-counter, wie außerbörsliche Transaktionen von Wertpapieren mittlerweile genannt werden. Offiziell erklärt wird der Handel mit solchen Derivaten als Absicherung gegen außergewöhnliche Wetterereignisse. Praktisch handelt es sich um eine Wette auf eine nicht vorhersehbare Entwicklung.

In Anlehnung an eine erstklassig ausgearbeitete Dokumentation, die vom US-Fernsehsender PBS ausgestrahlt wurde, veröffentlichte The Intelligence vor Kurzem einen Artikel, der sich mit – von den einflussreichsten Finanzexperten befürworteten – unkontrolliertem Derivathandel auseinander setzt, dessen Volumen im Jahr 2007 fast 600 Billionen Dollar erreichte. Der eigentliche Auslöser der derzeitigen Wirtschaftskrise war, neben dem Überreizen des amerikanischen Immobilienmarktes, der blühende Handel mit Hypothekardarlehen, also dem Weiterverkauf von vermeintlich abgesicherten Forderungen, und allen damit verbundenen Spekulationen durch das Instrument des Derivathandels.

Um hier noch einmal kurz zu erläutern, worum es sich bei Derivaten handelt. Die am einfachsten verständliche Form ist der sogenannte Optionsschein, der berechtigt, ein bestimmtes Wertpapier, Gold, eine Währung etc. an einem vorgegebenen Tag zu einem festgesetzten Preis zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Die grundsätzliche Idee, die dahinter steckt, ist das Absichern von Werten gegen unvorhersehbare Ereignisse. Kaufe ich Ware für Euro, verkaufe sie gegen Dollar, bezahlbar in einem halben Jahr, so könnten Veränderungen im Wechselkurs meine Kalkulation auf den Kopf stellen. Erwerbe ich durch eine entsprechende Menge von Optionsscheinen das Recht, die Dollars, die mir überwiesen werden, zu einem dadurch gesicherten Wechselkurs gegen Euro einzutauschen, unterliege ich nicht mehr dem Risiko, durch einen Einbruch des Dollarkurses Verluste zu erleiden. Der Kaufpreis der Optionsscheine lässt sich von Anfang an in die Kalkulation mit einbeziehen.

Und ähnlich sind die Überlegungen für Wetterderivate. Besitze ich ein Schneeräumungsunternehmen, so erhalte ich den Auftrag von der Stadtgemeinde meist durch einen Fixpreis, unabhängig von der Schneefallmenge während des Winters. Ist diese gering, erspare ich mir Lohnkosten und verzeichne dadurch entsprechende Gewinne. Fällt jedoch mehr Schnee als in meiner Kalkulation berücksichtigt, könnte das Ansteigen der eigenen Unkosten die Existenz meines Betriebes gefährden. Investiere ich in Schneederivate, die ab einer bestimmten gefallenen Schneemenge einlösbar werden, reduziert sich zwar mein Profit während schneearmer Winter, gleichzeitig werden aber die entstehenden Mehrkosten im gegenteiligen Fall abgedeckt.

So wie sich Optionsscheine auf Währungen erwerben lassen, ohne über Guthaben in dieser Währung zu verfügen, so lässt sich auf diesem Wege auch auf die Wetterentwicklung spekulieren, auch wenn das Wetter auf meine geschäftlichen Aktivitäten nicht den geringsten Einfluss ausübt. Englische Buchmacher bieten seit langer Zeit Wettmöglichkeiten auf die Wetterentwicklung an. Platziere ich beim Booky eine Wette darauf, dass während des Monats Februar in London mehr als 10 cm Schnee fallen werden, so nennt man dies gemeiniglich Zocken. Kauft eine Bank Schneederivate um 10 Millionen Dollar, die bei Überschreiten der genannten Schneefallmenge um 25 Millionen eingelöst werden, andernfalls ihren Wert verlieren, so handelt es sich um eine Investition, die in der Buchhaltung als Aktiva ausgewiesen wird.

Natürlich lässt sich die Situation keineswegs so einfach vorstellen, dass ein Angestellter des Geldinstituts, der nächtens von einem Schneechaos träumt, ein paar Millionen auf das Eintreten dieses Ereignisses wettet. Bestimmte Wetterentwicklungen wirken sich auf manche Branchen positiv, auf andere gleichzeitig aber negativ aus. Während ein Hurrikan der Versicherungsbranche schmerzhafte Verluste bescheren kann, wirkt sich die gleiche Tragödie aber positiv auf lokale Bauunternehmen aus. Verfügt ein Geldinstitut im eigenen Portfolio über eine entsprechende Menge von Aktien aus der Baubranche, so könnte dies Anlass sein, mit einem Versicherungsunternehmen einen Vertrag abzuschließen. Gibt es einen Hurrikan, verdient die Bank durch den Kursgewinn der Bauaktien und zahlt an den Versicherer. Bleibt der Wirbelsturm aus, tritt dieser wiederum einen Teil der verbleibenden Gewinne an die Bank ab.

Was für einen Einfluss übt der blühende Derivathandel auf die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit aus? Entspricht es nicht der Vernunft, sich gegen unvorhersehbare Ereignisse abzusichern? Handelt es sich bei meiner privaten Feuerversicherung nicht ebenfalls um eine Spekulation auf ein Brandereignis, bei der Lebensversicherung um eine Wette auf meinen eigenen Tod, von der meine Erben profitieren?

Für jeden Einzelfall ergibt Absicherung natürlich Sinn. Schließe ich eine Feuerversicherung ab, so teile ich das Risiko mit allen anderen Versicherungsnehmern. Ein kaum vermeidbarer, aber auch nicht wirklich wünschenswerter, Nebeneffekt wäre die Kapitalbildung der Versicherungsbranche, denn es ist immer nur ein Teil der Prämie, die das eigentliche Risiko abdeckt. Ähnlich sieht es beim Derivathandel aus. Reine Spekulationsgeschäfte bringen Gewinne mit sich, die mittlerweile Ausmaße von sagenhaften Vermögen angenommen haben. Diese unzähligen Milliarden, die durch reine Spekulation, anstatt durch Produktion, „erwirtschaftet“ werden, müssen schließlich von irgendwoher kommen. Je weiter sich Märkte ausdehnen, den gesamten Erdball umspannend, desto weniger sticht es ins Auge, wer die Milliardengewinne geschickter Spekulationsfonds finanziert. Es ist immer der Konsument, der für jede Leistung, die er erwirbt, wesentlich mehr bezahlt als er selbst für das Erbringen einer vergleichbaren Leistung erhält. Doch sollten wir uns darüber natürlich nicht beklagen. Schließlich steht uns ja frei, selbst zum Investor zu werden. Fehlen uns die Mittel dazu, dann haben wir halt nicht hart genug gearbeitet. Schließlich leben wir ja im Zeitalter der Chancengleichheit.

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