Ein Anliegen: Wichtige Metatexte zur Journalistenschelte

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Es ist unvermeidlich, dass irgendwann irgendwo irgendetwas schief läuft. Und solche Schieflagen machen auch vor der Medienwelt nicht Halt. Dennoch gibt es hier einen ganz besonderen Unterschied, denn die News-Branche ist trotz der Durchindustrialisierung kein anonymes Geschäft. Ich möchte das im Folgenden kurz näher erklären.

Redakteure oder angestellte Blogger verdienen durch das Schreiben ihren Lohn, der – seien wir ehrlich – nicht immer einen feudalen Charakter aufweist. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Branchen verdient der Journalist noch etwas, nämlich Renommee, zumindest dann, wenn er gut ist und eine Stimme vorweisen kann, die auch gehört wird.

Tatsächlich ist es so, dass der Ruf ein ziemlich wichtiges Pfand im Geschäft ist, oft noch wichtiger, als formale Qualifikationen oder der bisherige Erfahrungshintergrund. Wenn wieder einmal eine Zeitung dicht gemacht hat und sich der rausgeworfene Redakteur im HR-Büro des ehemaligen Wettbewerbes vorstellt, fragt dieser nicht: „Wo ist Ihr Lebenslauf?“, sondern: „Wo sind die Probetexte und wo sind die Nachweise, dass sie oft und prominent zitiert wurden?“

Anders als der Mensch am Fließband oder der Creative Director einer Werbeagentur, tritt der Journalist fast immer gemeinsam mit seinem Produkt auf die Bühne. Unter jedem seiner Texte prangt sein Signet, das allen Lesern sagt: „Das habe ich gemacht, dafür bin ich verantwortlich.“ Bei angestellten Bloggern ist das Produzent/Produkt-Verhältnis noch inniger verwoben, denn sie sind das Blog. Sie gestalten die Inhalte, pflegen den Kontakt zu den Lesen, bringen ihre persönlichste Meinung auf den Bildschirm.

Der Grund, weshalb ich so weit aushole: Journalisten sind aufgrund ihrer klaren Benennung als Repräsentanten die einzigen Angriffsflächen eines Mediums. Und wenn dort etwas schief läuft, sind sie es, die den Kopf dafür hinhalten müssen. Und das nervt.

Als die „taz“ die Schleichwerbevorfürfe gegen mehrere deutsche Medien hervorbrachte, war die Empörung groß: „Diese Zeitung kaufe ich nicht mehr!“, hieß es im Netz. Ich weiß nicht, ob es ein eigentümlich deutsches Gebaren ist, bei einem vordergründig legitimen Anlass, sofort die Pauschalkeule herauszuholen – aber, so ist es nun einmal. Zeichnen wir kurz den Weg der Meldung nach:

1. Pläne werden bekannt: Die „Frankfurter Rundschau“ wird dicht gemacht.
2. Skandal: Die „Frankfurter Rundschau“ hat mit Schleichwerbung Geld gemacht!
3. Reaktion: „Haha – sehr verdient! Gut, dass die jetzt platt sind.“
4. Kein Kommentar: Der Verlag sitzt die Sache aus.
5. Arschkarte: Die verbliebenen Journalisten schweigen wie geprügelte Hunde.

Bei solchen Angelegenheiten unterscheidet kein Außenstehender zwischen Verlag oder Betreiber und dem Journalisten. Es ist immer die „WAZ“, die „Frankfurter Rundschau“, die „taz“ usw.

Dabei können die Journalisten am wenigsten dafür. Der Strippenzieher für das große Ganze sitzt im Hintergrund und gibt die Pläne vor. Und die Journalisten müssen tanzen. Den Vorwurf, dass es dann „mit dem Idealismus nicht weit her“ sein könne, lasse ich nicht gelten. Wer dies vorbringt, fordert damit, dass fremdbestimmte Journalisten, die nicht die Marschroute ihres Arbeitgebers mittragen möchten, unweigerlich und alternativlos in einem völlig ressourcengesättigten Umfeld kündigen. Ein solcher Schritt ist zudem nicht nur ein Statement beim bisherigen Verlag, sondern vor allem auch ein Zeichen für den Wettbewerb. Wenn der idealistische Journalist einmal seinen Hut genommen hat, braucht er als illoyal gebrandmarkter Arbeitnehmer eigentlich bei keinem anderen Medium anzuheuern.

Ich frage mich, was der rausgeworfene Familienvater jetzt macht: Ende vierzig, vielleicht war er seit zwanzig Jahren bei der „Frankfurter Rundschau“ angestellt – sagen wir, beim Sportteil. „Gut, dass die jetzt platt sind, haha!“, wird ihm zum Abschied hinterhergerufen. Er war ja immer das Gesicht seiner Zeitung, den Namen des Verlages kennen die wenigsten.

Genau aus diesem Grund habe ich beim DJV und bei ver.di angeklopft. Ich wollte wissen, ob es nicht die Aufgabe eines Verbandes oder einer Gewerkschaft ist, gegen Pauschalverurteilungen vorzugehen. Der DJV beließ es bei einem kurzen Statement, man habe sich in der Vergangenheit schon immer für eine strikte Trennung von Journalismus und PR ausgesprochen. Ver.di hat mir eine längere und recht leidenschaftliche Antwort (hier auch die Sonderseite zur allgemeinen Entwicklung bei der „Frankfurter Rundschau“) zurückgeschrieben, in der unter anderem Interesse signalisiert wird, „die Redaktion zu exkulpieren“ und die „wahren Verantwortlichen für diesen Sittenverfall“ zu benennen: Die Geschäftsführung des Verlages habe die Entwicklungen einigen Redakteuren „aufs Auge gedrückt“. Tatsächlich sei die Rufvernichtung der Kollegen aber noch das kleinere Problem: immerhin sei unklar, ob es „überhaupt“ passende Nachfolge-Arbeitsplätze gibt und man dort eine Chance habe.

Ich wollte in diesem Post nur einmal aufzeigen, was leichthin formulierte Blattkritik im Hintergrund für Mechanismen in Gang setzen kann. Denkt bitte beim nächsten Mal drüber nach und richtet euer Anliegen an die tatsächlich Verantwortlichen, deren Kontaktdaten man jedem Impressum entnehmen kann. Danke für Eure Aufmerksamkeit.

Bild: Flickr – Fotograf: lisap