Cebit

Merkel lobt Zusammenarbeit zwischen Politik und IT-Wirtschaft

Zur Eröffnung der CeBIT 2011 hob die Bundeskanzlerin hervor, dass es im Verhältnis der Politik zur IT-Wirtschaft mehr gemeinsam erarbeitete Ergebnisse und weniger Schaukämpfe als woanders gebe. Der Bitkom-Präsident gab sich optimistisch wie selten.

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Zwei Kinder, die auf einer Wiese liegen und in den Himmel schauen: Der Einspielfilm zu Beginn der CeBIT-Eröffnungsveranstaltung im Congress Centrum Hannover begann ungewöhnlich farbenfroh wie die Landschaft im Teletubbie-Land. Ebenso ungewöhnlich, dass sich so junge Menschen in den Wolkenformationen nicht nur Tiere und Gegenstände herausfantasieren, sondern auch solche Dinge wie "on demand", Telemedizin und andere technische Errungenschaften: "In den Wolken ist alles möglich", lautete ihr Fazit. Wenn der Sänger Reinhard Mey einverstanden wäre, würde er seinen Hit aus den 70er-Jahren umdichten: "In den Wolken muss die IT wohl grenzenlos sein."

Bundeskanzlerin Angela Merkel verwies in ihrer Ansprache kurz auf die große Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnik während der politischen Ereignisse in Nordafrika. Ihre eigene Jugend sei geprägt von Lochkarten für russische Kopien von IBM-Computern, sagte sie zum anwesenden IBM-Chef Samuel Palmisano. Der schwedische Mobilfunkausrüster Ericsson habe ausgerechnet, dass die Türken 76 Minuten pro Kopf und Tag telefonierten. Damit seien sie "Weltmeister", sagte sie zum ebenfalls anwesenden türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan gerichtet. Sie versprach ihm, über die Frage der Visa für türkische Bürger noch einmal sprechen zu wollen – schließlich lege sie Wert darauf, dass türkische Mitbürger in Deutschland Erfolg haben. In Deutschland würden 80.000 Unternehmen von türkischen Mitbürgern betrieben.

Die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft sei in der IT nicht klassisch, analysierte Merkel, sondern modern. Es gebe nicht hier die Fordernden, dort diejenigen, die Forderungen erfüllten. In der IT gebe es mehr gemeinsam erarbeitete Ergebnisse und weniger Schaukämpfe als woanders, so zum Beispiel bei den jährlichen IT-Gipfeln. Es gebe also keine Branche, in der es so wenig Streit gebe wie in der Informations- und Kommunikationstechnik. Die "international verfügbare Welt des Internets" müsse auch global geschützt werden, so wie auch die Finanzkrise gezeigt habe, dass Zusammenarbeit wichtig sei. Angesichts der aufkommenden Technik des Cloud Computing sei Sicherheit heutzutage sehr wichtig.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan

Erdoğan, der als Vertreter des diesjährigen CeBIT-Gastlandes sprach, nutzte die Gelegenheit, kurz für sein Land als geeignetes Feld für Investitionen zu werben. Größeren Raum nahm aber sein Werben um eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU ein. Deutschland und die Türkei seien die Länder, die sich am besten kennten, sagte der Ministerpräsident: Deutschland müsse wissen, wie viel sein Land als Scharnier zwischen Ost und West, Nord und Süd zur EU beitragen könne.

In der jüngsten Zeit seien in der Türkei die Investitionen stark angestiegen, betonte Erdoğan. Im Jahr 2002 habe es in seinem Land kaum Breitbandanschlüsse gegeben, heute gebe es 7,5 Millionen. Die Türkei sei dabei, jede Schule mit Computern und Internetanschlüssen auszurüsten. Nicht nur staatliche Einrichtungen, auch private Institutionen investierten in Technik und Forschung.

Diese beiden Felder waren wiederum die Hauptthemen des IBM-Chefs Samuel Palmisano. Die Menschen müssten nun nicht mehr die Maschinen verstehen, sondern umgekehrt, hob Palmisano an, aus dem umfangreichen Forschungs- und Produktportfolio seiner Firma zu erzählen. Er verwies auf das Computersystem Watson, das kürzlich in einer Sendung der US-amerikanischen Quizshow gewann. In den vier Jahren der Forschung für das System sei es nicht darum gegangen, ein Fernsehquiz zu gewinnen, sondern Grenzgebiete zu erreichen: nämlich dass der Computer natürliche Sprache versteht. David Ferrucci, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei IBM und Leiter des Watson-Projekts, bekam denn auch Gelegenheit, das System den Ehrengästen live auf der Bühne zu demonstrieren.

Wenn IBM nicht eingelaufene Pfade verlassen hätte, würde das Unternehmen immer noch Uhren, Schreibmaschinen, Festplatten und Käsehobel herstellen, sagte Palmisano. Mit dem Verkauf der Computersparte habe IBM an Lenovo seinerzeit die "Hölle des Verbrauchergeschäfts" verlassen wollen. 1981 sei der PC eine Innovation gewesen, doch 20 Jahre später habe es dort keine Differenzierung mehr gegeben. Nun gehe es um ein neues Modell, wie die Branche die Welt ansehe. Dazu müsse erstens mit Hilfe von offenen Standards das Reifeniveau erhöht werden. Zweitens müsse die Branche auch politische Konsequenzen ihres Handelns sehen, zum Beispiel beim Einsatz von Überwachungskameras zur Verbrechensbekämpfung oder von Twitter in Katastrophenfällen. Drittens müsse es ein neues Führungsmodell geben: Weg von den überragenden Persönlichkeiten, hin zu Kooperation und Transparenz: "The time to act is now, and the way to act is together."

Ferrucci führt Watson vor

August-Wilhelm Scheer, Präsident des IT-Verbands Bitkom, zeigte sich "selten optimistisch" für die diesjährige CeBIT. Nach zwei Jahren der Krise seien die Auftragsbücher wieder voll. Scheer betonte die große Bedeutung der Menschen in der IT-Branche. Wichtig seien Vorzeigepersönlichkeiten wie der Facebook-Chef Mark Zuckerberg, Bill Gates oder Hasso Plattner; wichtig sei aber auch, den Nachwuchs anzusprechen und in die Bildungsinstitutionen zu gehen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Ereignisse in Nordafrika sagte Scheer, die Informationstechnik habe heutzutage große und sofortige Auswirkungen. So seien die Bilder auf Kamelen hervorpreschender Anhänger des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak online sofort um die Welt gegangen. Die Vorgänge in Tunesien und Ägypten zeigten, dass es wichtigere Fragen gibt, als die Bilder von ein paar Häusern im Internet, sagte Scheer in Anspielung auf den Datenschutzstreit um Googles Straßenansichtsdienst. (anw)