Gründergeschichten

Die orientalische Antwort auf Xing und LinkedIn

05.05.2010
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Von Afghanistan ins Web 2.0: Rias Sherzad und Farid Zazai haben einen weiten Weg hinter sich gebracht, bevor sie 2007 das Online-Netzwerk SalamBC gründete. Das verstehen sie als arabische Alternative zu Xing und LinkedIn.

In den 80er Jahren flüchteten die beiden SalamBC-Gründer, Farid Zazai (39) und Rias Sherzad (33), nach dem russischen Einmarsch in Afghanistan nach Deutschland. Sherzad brach das Studium der Softwaretechnik ab und machte sich in der IT-Branche selbständig. Hier fasste er schnell Fuß, entwickelte Softwareprodukte und Internet-Plattformen für Kunden wie Siemens, Otto, den Axel Springer Verlag und arabische Banken. Zudem verbesserte er vorhandene IT-Prozesse. Währenddessen etablierte sich Farid Zazai erfolgreich im Finanz- und Bankensektor. Jedoch hatten es sich die beiden Afghanen zum Ziel gesetzt, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und ihrer Region etwas zurückzugeben. Eine feste Anstellung war für beide aufgrund ihres "orientalischen Bestrebens nach Unabhängigkeit" undenkbar.

Der Salam Business Club

Rias Sherzad: "Orientalisches Bestreben nach Unabhängigkeit."
Rias Sherzad: "Orientalisches Bestreben nach Unabhängigkeit."
Foto: xyz xyz

Ihre Geschäftskontakte pflegten Sherzad und Zazai üblicherweise über die Online-Netzwerke Xing und LinkedIn. Allerdings vermissten sie auf beiden Portalen eine islamische Komponente, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten war. Dazu gehören speziell Kontakte in den arabisch-islamischen Raum und islamkonforme Dienstleistungen. Sherzad sucht etwa seit längerem nach einer islamkonformen Hausfinanzierung. Farid hat während seiner Tätigkeit in der Finanzbranche beobachtet, wie islamkonforme Produkte im Ausland seit Jahren zweistellige Zuwachsraten verzeichnen und sich als krisensicher erwiesen haben. Die Idee eines islamischen Netzwerkes war geboren - und so schufen die beiden Gründer den "Salam Business Club", der anfangs noch "Muslim Business Club" hieß. Seit November 2008 hat das Netzwerk seinen heutigen Namen. Salam bedeutet Frieden. Damit wollten die Gründer klarstellen, dass der Business Club keine Plattform für religiöse Debatten sein soll. Im Vordergrund stehen vielmehr wirtschaftliche Fragen.

Die technischen Grundlagen der Plattform wurden mit Hilfe eines deutschen IT-Unternehmens entwickelt. An der technischen Weiterentwicklung arbeiten mehrere IT-Spezialisten im Ausland. Finanziert und geleitet wird das Projekt vom CEO Rias Sherzad. Sein Partner Farid knüpft und pflegt währenddessen als "Director (of) Business Strategy" wichtige Geschäftskontakte in der arabischen Welt und sucht zudem nach Investoren.

90.000 Mitglieder im April

Einen Glücksgriff landete das Gründer-Duo, als sie über ihre Plattform Khalil Aleker entdeckten und für ihr Unternehmen gewinnen konnten. Binnen weniger Wochen hat er die Follower- und Mitgliederzahlen bei Twitter und Facebook in den vierstelligen Bereich katapultiert. Mit dem Start im März 2007 wurden 150 Kontakte eingeladen und die Plattform auf ihr Feedback hin stetig verbessert. Seit Oktober 2009 hat sich die Zahl der Mitglieder von 15.000 auf knapp 90.000 im April dieses Jahres versechsfacht. Täglich loggen sich mehrere tausend User ein, um miteinander zu kommunizieren.

Proportional zur weltweiten Anzahl der Muslime mit Internet-Zugang, kommt der Großteil der User aus Pakistan und Indien, dicht gefolgt aus Ländern der MENA Region (Middle East, North Africa), auf der der eigentliche Fokus liegt. Aufgrund der großen Nachfrage der Mitglieder nach Jobofferten bauen die Gründer eine Jobbörse auf, die in Kürze an den Start gehen soll. Da viele Mitglieder auch an islamkonformen Finanzdienstleistungen interessiert sind, arbeitet SalamBC mit dem Frankfurter "Institute for Islamic Banking and Finance" zusammen, das auf diesen Bereich spezialisiert ist. Entscheidend sei der Handel im Einklang mit den Prinzipien der Scharia. Geschäfte, die einen Bezug zu Alkohol, Pornographie oder Glücksspiel haben, findet man hier nicht. Zinsbasierte Handelsgeschäfte werden ebenfalls nicht gestattet. "Moslems wollen, dass ihr Geld in Islam-konforme Geschäfte investiert wird”, sagt Sherzad. Die ersten islamkonformen Produkte sollen schon bald bereit stehen. Die Gründer haben es sich zum Ziel gesteckt, bis Jahresende die Zahl der registrierten Nutzer auf mindestens 200.000 zu verdoppeln.

Investoren und Wissen gesucht

Die Plattform war bisher noch eigenfinanziert, weshalb jetzt Investitionen anvisiert werden, die ein stabiles Wachstum des Projektes gewährleisten sollen. Die Gespräche dafür laufen bereits, für weitere Verhandlungsrunden ist man dennoch offen. Dabei ist nicht nur das Fremdkapital interessant, sondern auch das Know-how und die Unterstützung der potenziellen Investoren. Geld verdienen will SalamBC unter anderem mit islamkonformen Dienstleistungen und Mitgliedsgebühren.