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Krisenprofiteure: Was US-Konzerne mit dem billigen Geld anstellen

Foto: ? Reuters Photographer / Reuters/ REUTERS

Geldschwemme in USA Das Fressen hat bereits begonnen

Die Fed flutet den Markt mit Geld - doch die US-Unternehmen reagieren anders als erhofft. Statt zu investieren, füllen sie ihre Kriegskassen und kaufen kleinere Wettbewerber. Das Geld fließt nicht in die Realwirtschaft, sondern nährt die nächste Übernahmewelle - die auch Deutschland erfassen könnte.
Von Christine Mattauch

New York - Für Ebay war es ein Schnäppchen. Nicht einmal ein Prozent Zinsen muss die Firma Anlegern zahlen, die ihr für drei Jahre Geld liehen. Insgesamt 1,5 Milliarden Dollar beschaffte sich das Unternehmen mit Sitz im kalifornischen San Jose Ende Oktober zum Discountpreis. Finanzvorstand Bob Swan freute sich: "Wir nutzen die historisch niedrigen US-Zinsen, um unsere finanzielle Flexibilität zu erhöhen."

Finanzielle Flexibilität des Konzerns. Von Investitionen und Arbeitsplätzen in den USA sprach der Ebay-Vorstand nicht.

Geld ist in den USA so billig wie nie zuvor. Die amerikanische Notenbank Fed will auf diese Weise die Wirtschaft ankurbeln. Doch die Unternehmen reagieren anders als erhofft. Sie nutzen zwar die Gunst der Stunde, um sich mit Kapital einzudecken, stecken aber nur einen geringen Teil in Investitionsprojekte.

Die Anlageinvestitionen, vor der Krise bei 1,7 Billionen Dollar im Quartal, verharren gegenwärtig bei rund 1,4 Billionen - viel zu wenig, um eine neue Dynamik auszulösen. Statt dessen horten sie das Geld, kaufen eigene Aktien zurück oder akquirieren Firmen. Das schafft keine Jobs - die Arbeitslosenquote liegt noch immer bei 9,6 Prozent.

Ohne Investitionen der Firmen bleibt das Wachstum schwach

"Die Unternehmen zögern, ihre Produktion auszuweiten, so lange die Aussichten unsicher sind", sagt Steven Oman, Vizepräsident von Moody's Investor Service. Das Problem: Ohne zusätzliche Investitionen bleibt das Wachstum in den USA schwach. Wenn aber Amerikas Wirtschaft nicht gesundet, droht über kurz oder lang der globale Aufschwung abzuflachen. Auch die deutsche Sonderkonjunktur wäre dann in Gefahr.

Die Bedingungen, um sich frisches Geld zu beschaffen, sind extrem günstig. Je größer und renommierter die Unternehmen, desto mehr profitieren sie davon. Der Einzelhandelsriese Wal-Mart holte sich Mitte Oktober 5 Milliarden Dollar, einen Teil davon zum Zinssatz von 0,75 Prozent, ein neuer Tiefstand für Firmenanleihen. Microsoft beschaffte sich im September 4,75 Milliarden Dollar und zahlte für die Drei-Jahres-Anleihe 0,875 Prozent. PepsiCo und Broadcom Corp. nahmen sich dagegen schon fast bescheiden aus - der Getränkekonzern gab sich mit 2,25 Milliarden zufrieden, der Halbleiterhersteller mit 600 Millionen.

Die Kriegskassen, wie die Budgets für Firmenübernahmen genannt werden, sind damit prall gefüllt.

Kauf kleinerer Mitbewerber auf der Tagesordnung

Nach einer neuen Studie von Moody's sitzen amerikanische Firmen außerhalb des Finanzsektors auf einem Bargeldberg von 943 Milliarden Dollar - die jüngsten Anleihen von Ebay und Co. noch gar nicht mitgezählt. Das sind über 20 Prozent mehr als vor zwei Jahren. Experten erwarten eine Übernahmewelle, die auch Deutschland erfassen könnte.

Das Fressen hat bereits begonnen. Nicht große und schwierige Fusionen stehen auf der Tagesordnung, sondern der Kauf kleinerer Mitbewerber, die sich vergleichsweise leicht integrieren lassen. Die Zahl der globalen Deals im Wert von einer bis fünf Milliarden Dollar ist um 60 Prozent gestiegen, berichtet Bloomberg.

Beispiele: Der Technologiekonzern HP schluckte im September die Datenspeicherfirma 3Par für 2,35 Milliarden Dollar und im Oktober die Softwarefirma ArcSight für 1,5 Milliarden. Unilever will den Kosmetikspezialisten Alberto Culver für 3,7 Milliarden übernehmen. Wal-Mart nutzt die Gelegenheit für eine Expansion in Südafrika und bietet 4,6 Milliarden für den dortigen Konkurrenten Massmart.

Auch eigene Aktien zurückzukaufen und dadurch den Kurspflege zu betreiben, gilt vielen Unternehmen attraktiver als zu investieren. Im ersten Dreivierteljahr ist das Volumen der Aktienrückkäufe US-weit auf 276,3 Milliarden Dollar gestiegen und hat sich damit gegenüber dem Vorjahr vervierfach, berichtet Researchfirma Birinyi aus Westport (Connecticut).

Billiges Geld: Spekulationsblase statt Stimulus für US-Wirtschaft

Die neue Welle der Geldmengenausweitung durch die Fed werden an der Investitionsunlust nichts ändern, meint Prof. Robert Reich, der unter US-Präsident Bill Clinton Arbeitsminister war und heute an der University of California, Berkeley, lehrt. "Die Unternehmen werden ihre Kapazitäten nicht erweitern, so lange die Verbraucher nicht ausgabefreudiger werden. Aber dafür sind die Haushalte noch viel zu stark verschuldet." Im Oktober gab der Durchschnittsamerikaner täglich 62 Dollar aus, berichtet das Meinungsforschungsinstitut Gallup. Im September 2008, dem Monat als Lehman unterging, waren es 99 Dollar.

Statt die Wirtschaft nachhaltig zu beleben, löst das billige Geld Spekulationsblasen aus, befürchtet Reich. Ihm und anderen Experten ist der Höhenflug an den Börsen unheimlich, der unter anderem von den Aktienrückkaufprogrammen der Unternehmen befeuert wird.

Blackstone: "Wir werden routinemäßig überboten"

Auch die Firmenpreise werden durch die von der Geldschwemme angeheizten Übernahmelust wieder in schwindelnde Höhe getrieben. Der Präsident der Private-Equity-Firma Blackstone, Tony James, beschwerte sich vergangene Woche darüber, dass kaum mehr Unternehmen zu vernünftigen Preisen zu kaufen seien: "Wir werden routinemäßig überboten."

Andere sehen nicht ganz so schwarz. Wenn Unternehmen auf so hohen Reserven sitzen, wollten die Aktionäre irgendwann auch sehen, dass mit dem Geld gearbeitet werde, meint Moody's-Analyst Oman: "Ich hoffe, dass die Kapitalinvestitionen nun doch in Gang kommen und sich das auch positiv auf den Arbeitmarkt auswirkt."

James Paulsen, Chefstratege von Wells Capital Management in San Francisco, einer Tochterfirma der Bank Wells Fargo, weist darauf hin, dass auch der Start nach den Rezessionen 1991 und 2001 holprig war. "Wir befinden uns in einer ganz normalen Erholungsphase", glaubt er. Man müsse den Unternehmen und Verbrauchern nur mehr Zeit lassen. Die Wachstumsprognose 2010 des IWF für die USA wurde zwar gesenkt, liegt aber immerhin noch bei 2,6 Prozent. Der optimistische Paulsen rechnet sogar mit 3 Prozent. "Das ist für das erste Jahr nach einer Wirtschaftskrise doch gar nicht so schlecht."

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