ZDF: "Neues aus der Anstalt":Pelzig unterhält sich im Zweiten

Ein Unterfranke soll den Polit-Humor im ZDF prägen: Erwin Pelzig wechselt in die Anstalt von Urban Priol. In Bayern ist er längst eine Marke.

H. Kratzer, O. Przybilla und A. Ramelsberger

Horst Seehofer kam und trank, Florian Pronold kam und nippte, Monika Hohlmeier kam und kicherte. Reinhard Marx kam und strich sich über die Bischofsschärpe. Sie alle kosteten Erwin Pelzigs Bowle und unterzogen sich dabei im Bayerischen Fernsehen einem ganz besonderen Test: dem, ob sie nicht nur in der Politik, sondern auch in Sachen Humor beschlagen sind.

ZDF: "Neues aus der Anstalt": Frank-Markus Barwasser als Erwin Pelzig: Wer in der bayerischen Politik etwas auf sich hält, trifft sich mit ihm auf einen Schluck Bowle.

Frank-Markus Barwasser als Erwin Pelzig: Wer in der bayerischen Politik etwas auf sich hält, trifft sich mit ihm auf einen Schluck Bowle.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die satirische Talk-Sendung "Pelzig unterhält sich" des Kabarettisten Frank-Markus Barwasser war in vielerlei Hinsicht die Reifeprüfung für Bayerns Politiker: Hier konnten sie zeigen, wie witzig, schlagfertig, selbstironisch oder auch wie humorlos sie sind. Wer die Bowle bei Pelzig überstanden hatte, der wusste: kein Nockherberg, kein Volksfestzelt konnte ihm noch etwas anhaben.

So erfolgreich war die Reihe des Bayerischen Rundfunks, dass das Zweite Deutsche Fernsehen den Kabarettisten nun eingekauft hat. Wie der Sender am Montag mitteilte, wird Barwasser alias Erwin Pelzig anstelle von Georg Schramm neuer Partner von Urban Priol in der ZDF-Politsatire "Neues aus der Anstalt". Außerdem soll Barwasser im kommenden Jahr im ZDF eine ähnliche Sendung wie Pelzig unterhält sich bestreiten. Vermutlich unter neuem Namen, denn der alte gehört dem BR.

Diese Entwicklung ist ein weiterer Beweis dafür, dass sich der Siegeszug der bayerischen und fränkischen Kabarettisten in Deutschland fortsetzt: Erst hatte der Niederbayer Bruno Jonas den Scheibenwischer der ARD betätigt, nun prägen die Unterfranken Frank-Markus Barwasser und Urban Priol das ZDF-Politkabarett.

Land der besten Kabarettisten

Bayerns SPD-Chef Florian Pronold war der letzte bayerische Politiker, der vergangene Woche noch bei Pelzig zu Gast war. War's so schlimm, dass Barwasser sofort danach aufhörte? "Vermutlich war das so überzeugend, dass das ZDF gar nicht mehr anders konnte als zuzugreifen", interpretiert Pronold seinen Auftritt. "Aus Bayern kommen eben nicht nur die besten Sozis, sondern auch die besten Kabarettisten." Ihm hat sogar die giftgrüne Bowle geschmeckt - "obwohl der Pelzig ja seine Finger drin gebadet hat", wie Pronold anmerkt.

"Den vergisst man nicht"

Nicht jeder Politikerauftritt bei Pelzig ist in die Ruhmeshalle des Fernsehens eingegangen. Aber es gab Besuche, die noch jahrelang nachhallten, etwa Gregor Gysis Auftritt im Jahr 2004. Gysi hatte rhetorisch einen großen Tag erwischt und es als einer der wenigen geschafft, Pelzig zeitweilig in die Defensive zu drängen. Unter anderen Vorzeichen stachen auch die Auftritte von Ex-Kultusministerin Monika Hohlmeier und Ministerpräsident Horst Seehofer (beide CSU) heraus.

Bei ihnen zeigte sich Pelzigs Erfolgskonzept überdeutlich: freche Fragen, blitzschnelle Konter, profundes Hintergrundwissen. Auf Hohlmeiers Nahrungsmittelunverträglichkeit bot er ihr eine Bowle an und schob nach: "Bitte erst nach der Sendung bewusstlos werden, nicht dass Sie mir jetzt alles versauen." Dass sie für das Europaparlament kandidierte, quittierte Pelzig salopp mit der Aussage: "Nehmen Sie mir's net übel, aber ich hab sie schon fürs Dschungelcamp angemeldet ghabt."

Justizministerin Beate Merk (CSU) war vor vier Jahren bei Pelzig zu Gast, an den Auftritt denkt sie heute noch mit leichtem Schaudern. "Den vergisst man nicht, der bringt einen mit seinen Fragen schon zum Schwitzen." Der Münchner Erzbischof Marx schätzt aber genau diese Herausforderung. "Pelzig ist witzig, offen, kritisch. Mir macht sowas Spaß."

Manchmal wurde es auch bitterernst in der Sendung, beim Auftritt des frischgekürten Umweltministers Markus Söder im November 2008 redete sich Pelzig richtig in Rage, nachdem der CSU-Mann die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke gefordert hatte. Pelzig setzte unter seiner Narrenkappe oft noch eins drauf, wo mancher Journalist aus Höflichkeit aufhört. Nachdem Grünen-Chefin Claudia Roth gesagt hatte, Söder schaue ja richtig gut aus, rieb ihm Pelzig hin: "Da brauchen Sie sich nix drauf einzubilden, das hat sie zu mir aa gsacht."

Der Ritterschlag für die Sendung

Als im vergangenen Mai Seehofer zu Gast war, begrüßte ihn Pelzig "als den ersten CSU-Chef, der nicht käuflich ist, zumindest nicht im CSU-Merchandising-Shop", wo keine Pappfigur von ihm zu finden sei. Es entwickelte sich ein höchst unterhaltsamer Schlagabtausch, der Ministerpräsident blieb dem Gastgeber nichts schuldig. Ob ihn die Macht der Finanzmärkte nicht deprimiere, fragte Pelzig. "Ja", sagte Seehofer. "Und wie gehen Sie damit um?" "Ich bin jetzt in einer therapeutischen Sitzung bei Ihnen." Es war sozusagen der Ritterschlag für die Sendung, deren Gäste nun immer prominenter wurden.

Von einem "Neustart" im ZDF will Barwasser selbst lieber nicht sprechen. Dieser Begriff ist ihm "zu belastet", sagt er, seit dem Beginn der schwarz-gelben Koalition in Berlin. Barwasser war zu Gast in Priols Sendung Neues aus der Anstalt, als dessen Kompagnon Georg Schramm verabschiedet wurde. Schramm sagt, er habe Barwasser als Mann "mit beträchtlichem Quälpotential ohne jegliche Bereitschaft zur Unterordnung kennen und schätzen gelernt".

Das Quälpotential haben auch die Politiker kennengelernt. Die heutige Familienministerin Christine Haderthauer war bei Pelzig, als sie gerade CSU-Generalsekretärin geworden war. Und hatte beim Abschiedsgeschenk die Wahl zwischen zwei Kalendern - einer mit halbnackten Männern, der andere mit dem Papst. Haderthauer wählte den Papst. "Ich dachte mir im Kopf die Schlagzeilen aus, die es danach geben würde. Mit ,Haderthauer hängt den Papst an die Wand' konnte ich damals leben. Heute würde ich vermutlich anders entscheiden." Immerhin ist ihre Mutter überzeugter Papst-Fan, sodass sie den Kalender weiter verschenken konnte.

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