Steve Jobs, für die einen ist er eine Ikone...

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Apple-Verkäufer begrüßen Kunden.

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Michael Brandtner berät seit 1996 nationale und internationale Klienten bei der strategischen Ausrichtung von Marken und Unternehmen. Seine Klienten kommen aus über 50 Branchen vom internationalen Konzern über mittelständische Unternehmen bis hin zu Bildungseinrichtungen und Verbänden.

Foto: Michael Brandtner

Derartige Emotionen ist man selbst als ständiger Forenwarter sonst nur von Predigern beliebiger Glaubensrichtung, politischen Aktivisten oder Anhängern eines Sportklubs gewohnt. Wenn ein neues Produkt des kalifornischen Konzerns Apple auf den Markt kommt, scheinen die Mühlen der IT-Redaktionen für einen Moment lang still zu stehen. Alle Vorbereitungen wurden bereits Tage oder Wochen zuvor getroffen. Die Redakteure sitzen vor ihren Rechnern, um die News und ersten Bilder so rasch wie möglich an die Leserschaft zu bringen. Hintergrundberichte werden für den nächsten Tag angedacht und vorbereitet, Pressestimmen eingeholt und Testmuster bei der lokal zuständigen Agentur bestellt. Es ist ein bisschen wie bei einem Champions-League-Finale oder einem anderen Großereignis. Die Leser-Nachfrage ist kaum zu stillen und als Medium kann man es sich nicht mehr leisten, nicht über Apple zu berichten.

Seit der iPhone-Vorstellung im Jahr 2007 ist jede größere Apples-News mediales Gold wert. Das lässt sich von immer neuen Zugriffsrekorden, genauso wie von waghalsigen Prototyp-Enthüllungen ablesen. Doch es gibt kaum einen besseren Indikator für den enormen Hype rund um Apple-Produkte, als das Brodeln unterhalb der Medienberichte. Hier jubeln die einen Steve Jobs neuen "Gaben" zu, während die anderen die Früchte des Herrn im Rollkragenpulli anzweifeln. Von den Gegenparteien als "Fanboy" und "Basher" bezeichnet (Begriffserklärung), schlagen sich hier Leser mit Anspruch nicht zu selten wegen einem Apfel verbal die Birne ein. 

"Ich hab nichts gegen Apple. Ich mag nur nicht das 'ich bin so klug und toll weil ich Apple habe"-Getue, obwohl die Geräte idiotensicher sind." - Chris P.

Apple scheint wie kein anderes IT-Unternehmen zugleich zu begeistern und aufzuregen. Dass sich Foren-Poster an die Gurgel springen, gründe laut Markenstratege Michael Brandtner in der untypischen Positionierung und dem öffentlichen Auftritt des Konzerns. "Apple war schon immer das 'Anti-Computer-Unternehmen'. Das begann beim Namen, der für eine High-tech-Marke ungewöhnlich ist, und setzte und setzt sich in den Produkten (einfach, designig) bis hin zum Werbeauftritt fort. Apple war so schon immer die Antithese zur herkömmlichen IBM- und Microsoft-Welt, also zum Mainstream. Damit hat man extrem polarisiert und sich so auch eine extrem treue Fangemeinde geschaffen", erklärt der Experte. Der Hype wurde aber erst mit dem MP3-Player iPod ausgelöst. Damit rettete sich Apple nicht nur aus der Krise, sondern auch aus der ewigen Nische. "Der iPod hat für Apple mehr gemacht, als Apple für den iPod", meint Brandtner. 

"Was wäre Apple ohne Microsoft? Was wäre Microsoft ohne Apple? Vielen Dank an Bill Gates und Steve Jobs für ihr Lebenswerk!" - Christian S.

Die Polarisierung führt nach sich, dass selbst Privatpersonen, die keinen ersichtlichen Vorteil daraus ziehen, vehement für ein Produkt oder eine Marke einstehen. "Das schaffen in der Regel nur ganz wenige Marken und auch nur solche, die wirklich polarisieren, also eine spezielle Zielgruppe extrem ansprechen, um so die Masse ausgrenzen", verweist Brandtner auf Apples Marktstrategie. 

Dadurch sei es auch nicht verwunderlich, dass die Stimmen der Kritiker und Skeptiker derart laut ausfallen. "Aktion erzeugt in der Regel immer Gegenaktion. Das ist menschlich. Wenn eine Seite sehr massiv für oder gegen etwas auftritt, dann bildet sich in der Regel eine Gegenpartei. Dadurch werden in der Regel beide Parteien stärker." Das Resultat sei ganz klar: "Apple-Basher schweißen die Apple-Jünger noch mehr zusammen." 

"DAS iPhone. DAS Maß aller Dinge. DAS Statussymbol, bam oida! Das sind die Gründe warum ich kein iDings brauch." - Markus K.

"Weils die schönsten, innovativsten und simpelsten Geräte sind." - Rainer F.

Es ist auch eine Diskussion ohne Aussicht auf Konsens, da "Basher" wie "Jünger" mit leidenschaftlicher Sturheit aneinander vorbeiargumentieren. Während Kritiker monieren, für Apple-Produkte würde "man mehr zahlen, obwohl das gleiche drin stecke" und der Kunde würde durch die Simplizität "eingeschränkt", sehen selbst ernannte Apple-Fans genau darin ihre Liebe zu Mac und Co. begründet.

"Apple hat aus Sicht der Apple-Jünger immer Substanz und war mehr als nur Name und Design. Das begann mit der einfachen Bedienung, dem aus Sicht der Apple-Jünger besseren und absturzsichererem Betriebssystem", erläutert Brandtner. Die viel besprochene Design-Frage falle natürlich auch ins Gewicht, werde aber mehr von der Gegenseite forciert. "Apple-Fans sind von ihren iPods, iPhones und iPads begeistert und reden meistens über irgendwelche Features vom Touchscreen bis hin zu den vielen Apps. Es ist die Gegenseite, die versucht, Apple rein auf Design und Markenname zu reduzieren. Das bedeutet aber für Apple, dass man auch in Zukunft eben für die Apple-Jünger immer mehr als nur Name und Design bieten muss."

"Ich kann diese ganzen Apple Basher einfach nicht mehr sehen/hören, was die für einen Stutz (sic) zusammen labern ist einfach nicht mehr auszuhalten. Die sollen froh sein das Apple das iPhone entwickelt hat, denn sonst würde es heute kein Android,... bzw. nicht das Android geben, wie wir es kennen... keinen App Store, keine ausgereifte Multitouch Bedienung, usw..." - Patrick S.

Der Drang zum Mainstream bedeutet für Apple auch, dass man sich künftig an eine neue Rolle gewöhnen muss und mit Veränderungen in der Kundenbasis zu rechnen hat. "Apple muss heute doppelt vorsichtig sein: Je breiter die Apple-Fangemeinde wird, desto größer wird die Gefahr, dass diese Fangemeinde mainstreamig und damit schwächer wird.", gibt Brandtner zu Bedenken. Zugleich müsse der Konzern künftig mit mehr Bedacht vorgehen, wenn es um die Erschließung neuer Märkte gehe. "Apple stößt aus meiner Sicht mit seinen vielen 'i'-Innovationen in zu viele Geschäftsfelder vor. Jetzt ist es die eine Seite, immer neue Geschäftsfelder zu erobern. Die andere ist, dass man diese auch weiter entwickeln und verteidigen muss. Hier besteht die Gefahr, dass sich Apple in Zukunft einfach mit zu vielen 'i's verzettelt."

" Dann erkläre mir bitte, warum ich Mac verwenden sollte statt Windows?" - Christian S.

"Warum? Hast schon einmal einen verwendet? Wahrscheinlich nicht, denn sonst würdest nicht nach dem Warum fragen :P..." - Patrick S.

Wie lange die Schlacht zwischen "Fanboys" und "Bashern" noch weitergeht, wird also stark davon abhängen, wie lange es Apple schafft, diese Polarisierung aufrecht zu halten. "Sollte Mini (was natürlich nicht passieren wird) einmal so viele Autos verkaufen wie VW, dann ist das Flair des Andersseins weg", verdeutlicht Brandtner das Problem. Aus der Vergangenheit weiß man, wie schnell der Trubel um eine Marke erlöschen kann. "Wenn solche Marken (zu) erfolgreich werden, also mainstraming werden, besteht die Gefahr, dass auch diese Markenaura verloren geht. So ist auch Sony nicht mehr das, was es früher - etwa zu Walkman-Zeiten - einmal war." So gesehen müsse "Apple heute eigentlich über jeden Apple-Basher froh sein, weil diese die Apple-Jünger einen und vereint halten".

"... ist es eigentlich eher unprofessionell, dass ich mich auf solche "Flamewars" einlasse. Habe mir inzwischen auch fest vorgenommen, das in Zukunft sein zu lassen..." - anonymer Poster

Bis es soweit ist, dürfte der Foren-Krieg wohl freudig weitergehen. Vom WebStandard über Facebook und Email befragt, gaben einige der fleißigsten Apple-Poster Auskunft über ihre Motive, sprichwörtlich tausende Apple-Beiträge zu verfassen.

"Seit meiner Studienzeit bin ich ein Apple Notebook-Besitzer. Damals war man damit Außenseiter, heute (leider) fast schon Mainstream. Ich war dann 10 Jahre in Kalifornien, die Lebensweise färbt ab. Ich kenne Apple gut und verfolge deren Produktstrategie schon recht lange. Daher nehme ich auch gerne bei Diskussionen teil, häufig mit einem provokativen Ansatz.", erzählt etwa Cupertino, der seiner Einschätzung nach etwa eine halbe Stunde pro Tag mit dem Kommentieren verbringt. Dabei führe sein Weg auf derStandard.at oft nur wegen den Forenbeiträgen. "Die meisten Geschichten sind mir schon aus anderen Quellen bekannt. Oft sind Posting anregender als der Artikel selbst. Bei gewissen Ansichten steigt man dann einfach ein."

Vom Apple-Befürworter zum -Kritiker ist hingegen Zacharias gewandelt. Früher wäre er positiv gegenüber dem Unternehmen eingestellt gewesen, heute eher negativ, "weil das Unternehmen echte Innovationen (wie etwa integriertes Farb- oder Schriftmanagement, echtes Plug & Play) zunehmend durch Pseudo-Innovationen bzw. Marketing-Gags ersetzt." Auch mit dem Verhalten des Apple-Chefs Jobs könne er nicht mehr viel anfangen. "Zudem verliert Steven Jobs meines Erachtens nach immer mehr den Kontakt zur Realität. Er übersieht, dass ein langfristiger Unternehmenserfolg nur durch beiderseitigen Nutzen - also sowohl für Kunden als auch Unternehmen - garantiert werden kann. Wer einfach nurmehr darauf abzielt, seine Kunden abzuziehen, wird langfristig verlieren. Android vs. iPhone ist hier ein gutes Beispiel", so der Heavy-Poster. Zwischen ein und zwei Stunden täglich verbringe der gelernte Drucker mit dem Kommentieren auf derStandard.at.

"...weil Apple-Bashing der neue Volkssport ist. auf 10 Fanboys kommen 100 "Hassprediger", deren Argumentation ist mittlerweile um einiges geschmackloser geworden, als die Begründungen von Personen, die glauben solche Produkte kaufen zu müssen." - Mathias K.

Maturant Michael T. sieht seine Aufgabe im Forum in der Richtigstellung von Halbwissen. Aber auch persönliche Gründe schließt der Apple-Fan nicht aus. "Also die Gründe, warum ich sehr sehr oft zu Apple-Artikeln poste, sind unter anderem, dass einfach nur derart viel Möchtegern-Halbwissen verbreitet wird (vor allem von Peter W1), dass man dies einfach nur gerne richtigstellen würde, auch wenn es bei manche Usern scheinbar keinen Eindruck schindet und man dann sofort als Apple-Jünger, verblendet etc. betitelt wird."

Der angesprochene Rekord-Poster Peter W1 - über 13.000 Kommentare - hat dabei eine ganz andere Ansicht, als viele seiner Diskutanten glauben würden. Der leidenschaftliche Poster sorgt mit seinen Apple-kritischen Ansichten für besonders viel Wirbel in der Community. Dabei sei er selbst seit Ende der 1980er-Jahre Apple-Nutzer. Seine vielfach geäußerte Kritik rühre vom zunehmenden Wandel des Konzerns.

"Ich bin Apple gegenüber positiv eingestellt, da ich unverändert Macs persönlich und beruflich einsetze. Mein Verständnis einer positiven Einstellung ist aber, dass es Kritik gibt, wenn es dafür Grundlagen gibt. Apple war bis in die 1990er Innovationsführer der IT-Branche. Das MacOS brachte selbst laut damals Microsoft-fokusierten Gartner eine Halbierung der TCO der PC-Nutzung. Aber so katastrophal wie sich Apple in den letzten Jahren verhalten hat (die ansteigende Bevormundung der BenutzerInnen, die teilweise haarsträubende Hardware und eine Qualitätssicherung die inzwischen zu eine der schlechtesten der IT zählt) gibt es fast ausschließlich Anlass zur Kritik", meint Peter W1 und führt als Beispiel Apples stur erscheinende Weigerung an, neue und etablierte Formate wie Blu-ray zu unterstützen.

"Heute wäre auf der Leinwand des legendären1984-Werbespots eine Keynote von Jobs zu sehen." - Peter W1

Apples strikte Zensurpolitik bei iPhone und anderen Entwicklerplattformen mache sich laut Peter W1 auch in den Foren bemerkbar. "Es sollte daran erinnert werden, dass Apple als "Think different"-Unternehmen bekannt war. Heute hingegen wäre auf der Leinwand des legendären1984-Werbespots eine Keynote von Jobs zu sehen. Das macht sich auch im Forum bemerkbar. Vor noch 1-2 Jahren waren Kommentare zu Apple-Artikeln vorwiegend positiv bis enthusiastisch. Da waren fundierte KritikerInnen selten bei den Kommentaren anzutreffen. Heute hingegen haben Postings von EvangelistInnen einen immer geringeren Anteil."

Dass mit dem Führen von "Forenkriegen" viel Zeit und Kraft draufgeht, macht den einen oder anderen aber auch nachdenklich. Erkannt hat dies unter anderem einer der lautstärksten Apple-Kommentatoren im Web-Forum, der aber nicht namentlich genannt werden möchte. "Nachdem ich beruflich mit allen Smartphones zu tun habe, ist es eigentlich eher unprofessionell, dass ich mich auf solche "Flamewars" einlasse. Habe mir inzwischen auch fest vorgenommen, das in Zukunft sein zu lassen." 

"Naja in letzter Zeit ist alles voll mit Apple, bleibt nicht viel, um woanders zu posten." - Wittiko B.

Die Gründe, weshalb Leser Apple-Beiträge kommentieren sind demnach vielseitig und oft steckt weit mehr dahinter als lediglich die eine oder andere Präferenz. Vom "beruflich Vorbelasteten", über den "passionierten Provokateur", den "enttäuschten Apple-Jünger" bis hin zum "Pragmatiker" (siehe Zitat oben) treffen die unterschiedlichsten Teilnehmer in den sich manches Mal über dutzende Seiten erstreckenden Diskussionen aufeinander. Einig ist man sich dabei selten, weil die Ansichten so divergierend sind. Dennoch finden sich hier Tag für Tag immer dieselben - vorwiegend - Herrschaften ein, um das bereits Bekannte, jedes Mal auf ein Neues zu hinterfragen. Und wenn laut Experten für Apple die Polarisierung ein wesentlicher Grundstein des Erfolges ist, kann dies für die Lebendigkeit und Relevanz eines Forums nur bestätigt werden. Nur eine Bitte für die Zukunft: "Nicht beleidigend werden Leute." - Benjamin S. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 21.8.2010)