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Map World: Der Nabel der Welt

Chinas Map World Google-Earth-Ersatz mit Tunnelblick

"Map World" reduziert die Welt auf China, funktioniert aber sonst ganz prächtig. Der neue Internet-Kartendienst ist ein staatlicher Beitrag zum Thema: "Wer braucht schon Google?" Doch Map World hat gewaltige blinde Flecken.

Google ist auf dem chinesischen Markt nur noch ein geduldeter, aber längst nicht mehr umworbener Gast. Nun haben die Suchmaschinisten aus Mountain View dort neue Konkurrenz bekommen. Der chinesische Staat selbst veröffentlichte eine streng auf China begrenzte Google-Earth-Alternative. Map World , so der Name des Dienstes, hat vergleichsweise wenig zu bieten, aber immerhin überhaupt etwas - im Gegensatz zum freiwillig abstinenten Google.

In China hat Google nie eine große Rolle gespielt. Dass der Konzern nach den spektakulären Hack-Attacken im Winter 2009/2010 im Protest nach Hongkong umzog und verkündete, nicht länger mit der chinesischen Zensur kooperieren zu wollen, hat entsprechend wenig am Status Quo verändert. Den definiert schließlich seit Jahren Chinas wichtigste Suchmaschine Baidu : Schon seit 2005 fällt der Marktanteil der westlichen Suchdienste kontinuierlich, Baidu dominiert den chinesischen Markt Schätzungen zufolge inzwischen mit 73 bis 75 Prozent aller Suchanfragen. Man könnte auch sagen: Baidu ist in China das, was Google im Rest der Welt ist.

Wenn man sich dann noch ansieht, was Baidu inhaltlich zu bieten hat, wird klar, warum Peking durch Googles Teil-Rückzug aus China nicht wirklich nervös zu machen war: Neben der Web-Suche gehören unter anderem MP3- und Videosuche zum Programm, Straßenkarten, Nachrichten, ein Social Network, Regierungsdokumente- und Patentsuche, ein Web-TV-Angebot und eine chinesische Wikipedia-Konkurrenz. Fast alles also, was Google bietet - und einiges, was Google nicht zu bieten hat. Staatlich zensiert und thematisch eingeschränkt, natürlich, aber trotzdem umfänglich und entsprechend erfolgreich: So wünscht sich Peking die Web-Suche.

Was Googles größtem Konkurrenten in China bisher fehlt, ist allerdings eine schicke Konkurrenz zum populären Google Earth. Satellitenbild-Dienste sind in China genehmigungspflichtig, Google hat darauf verzichtet, Baidu noch keinen vorgestellt. Allerdings bietet Google auch in China die bekannten Satellitenbild-Overlays in Google Maps , wenn man will sogar mit Stauwarnungen verbunden. Konkurrent Bing bietet nur Karten, keine Bilder  (aber auch Routenplaner und öffentlichen Nahverkehr).

Zensur macht China zum Nabel der Welt

Am Vergleich der beiden westlichen Konkurrenten werden Unterschiede deutlich: Während man beim in Hongkong ansässigen chinesischen Google auch über die Grenzen der Volksrepublik hinaussehen kann, geht das bei Bing nur sehr eingeschränkt. Länder jenseits der Grenzen gibt es nur aus großer Höhe betrachtet zu sehen. Zoomt man hinein, landet man statt in Wuppertal im Wasser - denn schon einige Hundert Kilometer hinter der chinesischen Grenze versinkt die Welt in neutralem, garantiert informationsfreiem Blau.

So ähnlich sieht das auch bei Googles neuester Konkurrenz aus: "Map World", ein Service des staatlichen Amtes für Landvermessung und Kartierung, ist absolut keine World Map. Es ist aber ein durchaus spielerischer, informationsreicher, detaillierter Google-Earth-Ersatz für China, der die Volksrepublik quasi zum Nabel der Welt macht - Tunnelblick inklusive.

Denn was jenseits der Grenzen liegt, ist erbarmungswürdig arm an zeigbaren Strukturen: Deutschland beispielsweise, kann man den Satellitenbildern mit Straßen-Overlays entnehmen, verfügt zwar über ein paar Bahnlinien, aber nur über wenige Straßenverbindungen. Zumindest, wenn man den Aufnahmen aus mehreren hundert Kilometer Höhe glaubt: Weiter hinabzoomen kann man nicht, ab einem bestimmten Punkt gibt es keine Bilder und Karten mehr zu sehen. Wer sich bei Map World in der Welt umsieht, erfährt viel darüber, wie detailreich China doch ist - und dass der Rest der Welt eine Art Wüstenei sein muss.

So sieht das eben aus, wenn staatliche Zensur die Weltsicht ihrer Bürger aufs eigene Land fokussiert, die Welt aber faktisch und hier einmal wirklich anschaulich und im Sinne des Wortes ausblendet.

Map Worlds Sehschwächen könnte man also als Argumente für Googles relativ harten Kurs in Bezug auf die chinesische Zensur verstehen. Google bringt das unbestreitbar Achtungspunkte ein, mehr aber auch nicht: Map World macht Google in China wieder ein gutes Stück verzichtbarer. Denn so lange Peking auf seinem strikten Zensurregime in Bezug auf Internetdienste beharrt, wird dort auch kein westlicher Internetanbieter qualitativ bessere Dienste anbieten können - siehe Bing, das dort nicht weniger sehschwach ist als der staatliche Dienst Map World. Dass aber Peking irgendwann Google und Co erlaubt, was es eigenen staatlichen Diensten nicht zugesteht, ist nicht abzusehen.