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Wettbewerbsvorteile im Dialog mit Usern

Wer seine Online-Reputation aktiv mitgestaltet, sichert sich Wettbewerbsvorteile.
Karsten Füllhaas | 18.10.2010
„BP googelt sich die Welt schön“ titelte die Süddeutsche Zeitung Mitte Juni diesen Jahres. Der Ölkonzern gab Millionen von US-Dollar aus, um im Kampf um die öffentliche Meinung im Internet seine Darstellung der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko durchzusetzen. BP trug damit der Tatsache Rechnung, dass im Internet gefundene Informationen zunehmend die Wahrnehmung von Unternehmen beeinflussen.

Mit der Verlagerung der Mediennutzung hin zu Online-Medien und Social Media hat die Wahrnehmung von Unternehmen eine neue Qualität erfahren. Über 95 Prozent aller Internet-User informieren sich online über Unternehmen, Produkte und Brands. Konsumenten erwarten transparente und authentische Kommunikation von den Unternehmen. Gleichzeitig gelten von Usern verfasste Beiträge als glaubwürdige Informationsquellen.

Für Unternehmen bedeutet dies einerseits neue Möglichkeiten, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaffen und andererseits neue Stolpersteine für das Ansehen des Unternehmens. Jeder noch so kleine Fehler kann von Suchmaschinen gefunden werden. Kommunikationsverantwortliche stehen vor neuen Herausforderungen: Wie kann man sich als Unternehmen online in diesem Umfeld den „guten Ruf“ bewahren, wie sich Wettbewerbsvorteile schaffen und vor Krisen schützen?

Der gute Ruf im Internet
Alle Informationen, die im Internet zu einem Unternehmen, einem Produkt oder eine Marke vorhanden sind, bilden zusammen die Online-Reputation. Sie ist Teil der gesamten Unternehmensreputation und hat vielfach ihren Ursprung im realen Verhalten eines Unternehmens im Geschäftsalltag. Begriffe wie Online Reputation Management tragen dem Trend Rechnung, dass immer mehr Konsumenten ihre Meinungen online veröffentlichen, Bewertungen abgeben und aktuelle Entwicklungen kommentieren. Dies wiederum prägt die Informationsbeschaffung sowie Kauf- und Investitionsentscheidungen einer viel grösseren Gruppe von Kunden. Der so genannte User Generated Content wird zur Informationsquelle.

Wenn Verbraucher entscheiden, ob sie ein Produkt kaufen oder eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, ist das Internet das mit Abstand wichtigste Medium für die Entscheidungsfindung. Dies zeigt der im Juli 2010 von der internationalen PR-Agentur Fleishman-Hillard und dem Marktforschungsinstitut Harris Interactive vorlegte Digital-Influence-Index-Bericht. Der konkrete Einfluss des Internets ist dabei mehr als doppelt so gross wie der des Fernsehens. Beim Kauf von Elektrogeräten, der Wahl einer Krankenversicherung oder der Entscheidung für einen Telekommunikationsanbieter greifen über 70 Prozent der deutschen Internetuser auf die Hilfe einer Suchmaschine zurück. 55 Prozent lassen sich bei der Wahl von Freizeitangeboten für ihre Kinder von Bewertungen anderer Nutzer beeinflussen. Für 42 Prozent ist beim Kauf eines Elektro-Geräts der Kommentar anderer ausschlaggebend. Die Studie Internet Facts der Arbeitsgemeinschaft Online- Forschung (AGOF) sieht Bücher sowie Informationen rund ums Reisen an der Spitze derjenigen Produktgruppen, über die im Internet recherchiert wird.

In der W3B-Umfrage des Hamburger Beratungsunternehmens Fittkau & Maaß gab fast jeder zweite Internet-User an, dass Nutzermeinungen schon seine Meinung von einer Marke oder einem Produkt beeinflusst hätten. Fast jeder Zweite hat aufgrund von Rezensionen schon einmal einen bestimmten Kauf getätigt. Und mehr als jeder zweite Nutzer wurde durch sie schon vom Kauf eines konkreten Produkts abgehalten.

Shops nutzen Chancen noch zu wenig
Ein Umfeld, in dem nicht mehr die Botschaften des Unternehmens, sondern Empfehlungen und Bewertungen von Internusern ausschlaggebend sind, mag für Betreiber von Online-Shops wenig attraktiv erscheinen. Aktuelle Zahlen geben dem Eindruck recht: In deutschen Online-Shops sind solche Social-Media-Inhalte bisher nur teilweise angekommen. Laut einer Untersuchung von Novomind beschränken sich 44 Prozent der E-Shops auf reine Warenpräsentationen. Nur rund jedes dritte E-Commerce-Unternehmen bietet seinen Kunden die Möglichkeit für Produktbewertungen. Die Shop-Betreiber riskieren damit, dass Kunden abwandern. Interneteinkäufer achten immer häufiger darauf, dass sie sich im virtuellen Ladenlokal mit anderen Usern austauschen und ihre Produkterfahrungen im Netz verbreiten können, weiss Novomind.

Online-Reputation spielt nicht nur beim direkten Verkauf von Produkten eine Rolle. Auch Standort-Bevölkerung, Behörden, Umweltverbänden und Gewerkschaften gegenüber ist ein Unternehmen auf eine gute Reputation angewiesen. Dahinter steht das Ziel, Vertrauen zu schaffen und unternehmerisches Handeln mit transparenter Kommunikation zu legitimieren.

Wissen, was gesagt wird
Neben dem eigenen Online-Auftritt muss man sich als Unternehmen vor allem die Frage stellen: „Welche Meinungen gibt es im Internet über mich?“ Wer systematisches Online Reputation Management betreiben will, sollte mit Social Media Monitoring beginnen. Mit einer gelegentlichen Google-Suche ist es heute nicht mehr getan. Social Media Monitoring bedeutet mehr, als einfach nur irgendein Tool einzusetzen. Die gewonnenen Daten wollen analysiert und die Erkenntnisse müssen im Unternehmen an die verantwortlichen Stellen weiter- gegeben werden. Mit einem Monitoring lassen sich Online-Plattformen, Themen und Meinungsmacher identifizieren und nach Relevanz einordnen.

Für Aufbau und Pflege der Online- Reputation steht das ganze Spektrum der Online-Kommunikation zur Verfügung. Meistens lohnt es sich mehr, in das eigene Online-Engagement zu investieren, als sich gegen negative Kommentare von Dritten zu wehren. Aktive Social-Media-Kommunikation mit den Mitarbeitenden als Botschafter des Unternehmens ist glaubwürdig und schafft Vertrauen. Angst vor negativem Feedback aus dem Social Web hält viele Unternehmen von einem aktiven Engagement ab. Doch vermeiden lassen sich negative Kommentare auf diese Weise nicht. Für die Online-Reputation ist dies natürlich denkbar schlecht, weil solche Kommentare auch später von anderen Usern gefunden werden. Berechtigte und konstruktive Kritik ist hingegen kein Grund für eine Krise. Im Gegenteil, als Unternehmen kann man an Glaubwürdigkeit nur gewinnen, wenn man offen auf die angesprochenen Punkte eingeht.

Den gefürchteten Boykottaufrufen und massiven Negativ-Berichten in Online-Medien und Blogs liegt meistens ein Fehlverhalten von Unternehmensseite zugrunde. Das Internet ist dann der erste Ort, wo die Kritik geäussert wird und sie sich direkt weiterverbreiten kann. Grosse Unternehmen wie der Nahrungsmittel- Konzern Nestlé oder der Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin haben dies schon erlebt. In beiden Fällen führte fehlende Social-Media-Kompetenz zu einer Verschlimmerung der Krise. Nestlé versuchte mit Zensur, die Verbreitung eines Videos über die Zerstörung der Tropenwälder zu stoppen, was zu heftigen Gegenreaktionen aus der Online-Community führte. Diese Eskalation fügte der Krise einen neuen Aspekt hinzu: Neben der Abholzung der Urwälder ging es nun auch um die Art der Krisenkommunikation von Nestlé.

Die Entscheidung für ein Social-Media-Engagement beinhaltet auch die Bereitschaft, sich mit negativem Feedback auseinanderzusetzen, und zwar im öffentlich sichtbaren Online-Dialog. Wer für sein Unternehmen online den guten Ruf bewahren will, muss sich aktiv im Social Web engagieren, damit die Reputation nicht zum Spielball Dritter wird.