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Apples Sicherheitspolitik Der paranoide Konzern

Apples Sicherheitsmaßnahmen sind drakonisch. Eine interne Truppe sucht nach Lecks, wer plaudert, fliegt. Nun traf es einen Ingenieur - offenbar nur, weil er Apple-Mitgründer Steve Wozniak ein iPad gezeigt hatte. Doch warum hat der Mann, der einen iPhone-Prototypen verlor, seinen Job noch?
Apple-Chef Jobs (im Januar bei iPad-Präsentation): Geheimnisverrat wird drastisch geahndet

Apple-Chef Jobs (im Januar bei iPad-Präsentation): Geheimnisverrat wird drastisch geahndet

Foto: Paul Sakuma/ AP

Apple ist ein Konzern, zu dessen Grundprinzipien extreme Geheimhaltung gehört. Mitarbeiter werden streng kontrolliert, der Zugang zu einzelnen Firmengebäuden auf diejenigen Angestellten beschränkt, die dort tatsächlich arbeiten, Kollegenbesuche unerwünscht. Kameras sind auf dem Apple-Campus selbstverständlich verboten. Apple ist ein paranoider Konzern, für den Geheimnisse nicht nur Schutz vor der Konkurrenz sind, sondern auch ein Marketingwerkzeug: Nur so ist auch vor der nächsten Produktankündigung wieder sichergestellt, dass Hype und Gerüchteküche für kostenlose Werbung sorgen.

Mutmaßliche oder echte Informationslecks im Unternehmen werden mit Geheimdienstmethoden verfolgt, glaubt man einem Augenzeugenbericht, den das Technik-Blog "Gizmodo"  im vergangenen Jahr veröffentlichte: Eine interne Sicherheitstruppe namens "Worldwide Loyalty Team" schwärme dann aus, wenn irgendetwas nach außen zu dringen drohe, zwinge alle Angestellten in einem bestimmten Bereich, die Arbeit einzustellen, alle Handys herauszugeben und schweigend abzuwarten. Die Mobiltelefone würden dann auf verdächtige E-Mails, Fotos oder andere Hinweise durchsucht, ohne Rücksicht auf die Privatsphäre der Angestellten, aber mit deren schriftlichem Einverständnis - wer nicht unterschreibe, werde gefeuert.

Wer bei einem Geheimnisverrat erwischt werde, müsse bis zum Abend bleiben und werde dann unauffällig von Sicherheitsleuten vom Unternehmensgelände eskortiert. Von manchen Angestellten werde die Sicherheitstruppe als "Apple Gestapo" bezeichnet, berichtete "Gizmodo".

Apple hat den Bericht damals, wie üblich, nicht kommentiert, und auch an diesem Montag gibt es zum Thema "Worldwide Loyalty Team" von Apple nur ein knappes: "Kein Kommentar".

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Gizmodos iPhone 4G: Prototyp oder Fake?

Ein aktuelles Beispiel dafür, wie rigide Apples Schweigegelübde durchgesetzt wird, lieferte nun ausgerechnet Apple-Mitgründer Steve Wozniak, Entwickler der ersten Apple-Rechner und bis heute Apple-Mitarbeiter. "Ich kann Ihnen sagen, dass der Testingenieur, der mir während des iPad-Launches nach Mitternacht zwei Minuten ein iPad zeigte, tatsächlich gefeuert wurde", schrieb Wozniak an "Gizmodo" . Ihm sei nicht klar, inwiefern diese Aktion eine solche Strafe erforderlich mache, schließlich "hat es Apple nicht geschadet, dass mir ein iPad gezeigt wurde". Schließlich ist Wozniak bis heute Angehöriger des Unternehmens - und ohne seine eigenen brillanten Erfindungen aus den siebziger und achtziger Jahren würde der Konzern Apple heute vermutlich nicht einmal existieren.

"Keine Kultur der Innovation, sondern eine Kultur der Angst"

Zwei Minuten lang ließ der Ingenieur Wozniak mit dem Tabellenkalkulationsprogramm Numbers auf dem tastaturlosen Gerät herumspielen, bevor er es wieder in seiner Tasche verschwinden ließ. Wegen dieser zwei Minuten, so der Apple-Mitgründer, wurde der Mann gefeuert. Der Grund für die Kündigung war möglicherweise, dass Wozniak nicht das offizielle, der Presse gezeigte W-Lan-Modell zu sehen bekam, sondern einen Prototypen der UMTS-Variante. Ihm selbst sei das nicht bewusst gewesen, so Wozniak. "Gizmodo" selbst kommentierte Wozniaks Bericht so: "Eine Unternehmenskultur, in der man jemandem wie ihm kein neues Produkt zeigen kann, Stunden vor seiner offiziellen Enthüllung, ist keine Kultur der Innovation - sondern eine Kultur der Angst."

Apple will auch zu Wozniaks Vorwürfen keinen Kommentar abgeben.

Vor diesem Hintergrund erscheint es umso erstaunlicher, dass Gray Powell seinen Job immer noch hat. Der Apple-Ingenieur ließ in einem deutschen Biergarten in Kalifornien den Prototyp für ein neues iPhone liegen - bislang darf er aber weiter bei Apple arbeiten. Auch Wozniak fragt sich nun, wie die traurige Geschichte des gefeuerten iPad-Ingenieurs "mit der iPhone-Situation zusammenpasst".

Den iPhone-Prototypen hatte ein anonymer Finder verschiedenen Techblogs angeboten. Schließlich hatte "Gizmodo" zugegriffen und nach eigener Darstellung 5000 Dollar für das nicht benutzbare Gerät gezahlt.

Diese Zahlung könnte nun sogar Anlass für eine Ermittlung wegen Hehlerei sowohl gegen den Finder als auch gegen "Gizmodo" werden. Schließlich hätte der Prototyp eigentlich seinem Besitzer zurückgegeben werden müssen, über dessen Identität sich der Finder offenbar im Klaren war. Mittlerweile ermittelt sogar die Polizei im kalifornischen Santa Clara in der Sache. Der Nachrichtenseite Cnet  zufolge werden die Nachforschungen von einer Ermittlungsgruppe für Computerkriminalität unter Leitung des zuständigen Bezirksstaatsanwalts durchgeführt. Noch scheint aber nicht einmal Klarheit darüber zu bestehen, ob überhaupt ein Verbrechen begangen wurde.

"10 Prozent Nettigkeit und 90 Prozent Strenge"

"Gizmodo" kann sich den Behörden gegenüber allerdings auf die Rechte der freien Presse und den Quellenschutz berufen - und sich weigern, die Identität des Mannes, der das iPhone verkauft hat, preiszugeben.

Wozniak berichtet, er selbst habe Steve Jobs von dem Treffen mit dem Ingenieur und seiner ersten iPad-Begegnung erzählt. Der habe darauf nur gesagt: "Das ist keine große Sache." Dass der Mann, den er zuvor nicht persönlich gekannt habe, trotzdem entlassen wurde, scheint Wozniak offensichtlich übertrieben. Seine Mail an "Gizmodo" endet mit den Zeilen: "Produktgeheimnisse sind gut für Apple und sollten streng eingehalten werden. Aber vielleicht würden auch 10 Prozent Nettigkeit und 90 Prozent Strenge ausreichen".

Noch weitaus rabiater als im Hauptquartier in Cupertino wird über die Sicherheit von Apple-Produkten übrigens dort gewacht, wo die Geräte tatsächlich hergestellt werden. Im Juli 2009 machte der Fall eines Angestellten des Apple-Zulieferers Foxconn in Taiwan Schlagzeilen. Unter der Aufsicht des Mannes war einer von dem Vernehmen nach zwölf iPhone-Prototypen verschwunden. Die Unternehmenssicherheit habe ihn "auf unerträgliche Weise" verhört, dabei sei es auch zu Handgreiflichkeiten gekommen. Am 16. Juli 2009 sprang der Mann von einem zwölfstöckigen Gebäude in seinen Tod.